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Kapitel 9 • Der Magierstab

  Den Rest der Nacht verbrachte Chrysalis wie gel?hmt mit trübsinnigem Grübeln. Sie konnte sich nicht einmal aufraffen, nach neuem Feuerholz zu suchen, nachdem ihr k?rglicher Vorrat aufgebraucht war. Die Worte des Druiden hatten ihr mehr zugesetzt, als sie sich selbst eingestehen wollte. Zu allem überfluss war auch noch ein heftiges Gewitter durchgezogen und die ununterbrochenen Donnerschl?ge hatten jeglichen Gedanken an Schlaf zunichte gemacht.

  So harrte sie v?llig durchn?sst und durchgefroren aus, bis endlich der Morgen heraufzog und strahlender Sonnenschein den umliegenden Wald zu neuer Gesch?ftigkeit erweckte. Dichte Nebelschwaden stiegen auf und erzeugten eine unwirkliche Stimmung, lie?en den Wald wie verzaubert aussehen. Die alten Geschichten klangen damit viel glaubwürdiger.

  Chrysalis rappelte sich endlich auf, rieb sich die schmerzenden Glieder und packte ihre wenigen Habseligkeiten zusammen. Dann kletterte sie aus dem Pavillon und folgte dem unscheinbaren Pfad zur nahe gelegenen Lichtung.

  Am Rande der Lichtung angelangt hielt sie entsetzt inne. In der Mitte der nahezu kreisrunden freien Fl?che hatte eine uralte Linde gestanden, die vielleicht sogar die Magierkriege miterlebt hatte. Es war in weitem Umkreis der mit Abstand ?lteste und ehrwürdigste Baum in diesem ohnehin alten Wald gewesen und hatte sicherlich seit Menschengedenken einen Versammlungspunkt dargestellt. Auch der verfallene Pavillon war bewusst in der N?he dieses Baumes errichtet worden.

  Aber das Unwetter der vergangenen Nacht hatte der Linde den Garaus gemacht. über die ganze Lichtung waren abgerissene ?ste und Zweige verstreut, und der riesige Stamm war offensichtlich mehrfach vom Blitz getroffen und in mehrere Teile gespalten worden.

  Langsam ging Chrysalis weiter, um sich den Schaden aus der N?he anzusehen. Vielleicht war ja von dem Stamm und Wurzelstock genügend erhalten geblieben, dass sich der Baum erholen k?nnte. Aber seine stattlich und ausladende Krone war wohl für immer verloren, nur eine kümmerliche und schiefe Ruine war verschont geblieben.

  Aber alle Hoffnung war vergebens. Mit lautem ?chzen und Knirschen neigten sich die letzten stehenden Teile vor Chrysalis’ Augen immer weiter auseinander und stürzten schlie?lich mit ohrenbet?ubendem Krachen zu Boden. Das Innere des Stammes war komplett morsch gewesen und hatte der Belastung nicht weiter standhalten k?nnen.

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  Nachdem das letzte Echo des dumpfen Aufschlags verklungen war, legte sich eine unnatürliche Stille über den ganzen Wald. All die V?gel waren verstummt, die gerade noch den w?rmenden Sonnenschein mit ihrem Gezwitscher und Getr?llere begrü?t hatten. Selbst die leichte Brise, die die Nebelschwaden zerrissen und vertrieben hatte, schien den Atem anzuhalten. Kein Blatt raschelte im Wind, kein Insekt surrte durch die Luft.

  Verunsichert sah Chrysalis sich um und versuchte mit den Blicken das Unterholz am Waldrand zu durchdringen. Aber sie konnte nichts Auff?lliges erkennen.

  Dann fiel ihr Blick auf die Reste des Baumstamms, in deren Mitte noch ein morscher Pfahl aufragte. Immer wieder fielen Teile davon ab und fielen fast lautlos zu Boden, so schwammig und durchl?chert war das Holz.

  Wie gebannt tastete Chrysalis sich Schritt für Schritt n?her. Unter den erdfarbenen Resten kam nach und nach ein dunkleres Holz zum Vorschein, das fast wie geschnitzt und poliert aussah und unnatürlich gleichm??ig geformt war.

  Chrysalis konnte den Blick kaum abwenden, schob mit den H?nden ?ste zur Seite oder kletterte einfach darüber hinweg. Sie bemerkte kaum, dass sie sich dabei die H?nde an den scharfkantigen Splittern aufriss und ein Knie übel zerschrammte.

  Endlich hatte sie sich bis ins Zentrum der Verwüstung vorgearbeitet und konnte den seltsamen Stab ergreifen. Im gleichen Moment l?sten sich die letzten Teile der alten Linde von dessen Spitze.

  Sie hatte einen alten Magierstab gefunden, deutlich zu erkennen an den feinen Ziselierungen und den alten Runen, die dessen Schaft über und über bedeckten. An der Spitze formte die Nachbildung einer faustgro?en Kralle irgendeines Raubvogels eine Fassung, die jedoch leer war.

  Chrysalis umfasste den Stab mit beiden H?nden und zog ihn mit einem Ruck aus dem weichen Baumstumpf.

  Im selben Moment rollte ein Donnerschlag über den klaren Himmel und die Erde erbebte.

  Chrysalis lief ein Schauer über den Rücken. Sie hatte wohl ihren Magierstab gefunden.

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