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Kapitel 15: Freiheit auf Dauer

  Sylas und Mirael gehen schweigend nebeneinander her. Eine halbe Stunde ist bereits vergangen, seitdem wir das Dorf verlassen haben. Ich traue mich nicht, ein Wort zu sagen, denn ich wei?, dass das M?dchen einen Groll gegen mich hegt. Es schmerzt sicherlich, dass Sylas und Zyar beschlossen haben, meine wahre Herkunft und meinen echten Namen zu verheimlichen – ein schwerer Vertrauensbruch. Das Knacken der brennenden H?user, der bei?ende Geruch von verbranntem Fleisch und das dumpfe Gefühl des Mord Vupu erreichen uns l?ngst nicht mehr. Doch wie geht es Zyar und den übrigen Solniw? Wurden alle überlebenden evakuiert? Immerhin hat Zyar über Miraels Evakuierung gelogen. Wie wird Herr Str?mert auf diese Lüge reagieren, wenn er seine Tochter im Bunker nicht vorfindet?

  Dieser Wald ist ganz anders als der, den ich aus der Menschenwelt kenne. Zwar habe ich nie einen betreten, aber im k?niglichen Garten gab es wenigstens ein paar B?ume, Büsche und Str?ucher, die man betrachten konnte. Doch dieser Ort hier ist… lebendig. Jeder Schritt, den ich mache, fühlt sich an, als würde ich auf Wackelpudding marschieren. Vielleicht nicht so stark, aber dennoch unangenehm, und immer wieder spüre ich Schwindel. Meine Stoffhose ist an mehreren Stellen von den aus der Erde ragenden Wurzeln aufgerissen worden, und mein linkes Bein schmerzt wegen einer tiefen Schnittwunde.

  Trotz der Schmerzen lasse ich mir nichts anmerken. Sylas würde ohne Z?gern anhalten, um meine Wunden zu versorgen, doch wir k?nnen uns keine Verz?gerung leisten. Sicher sind die Sualtier uns dicht auf den Fersen, und jeder Augenblick, den wir verlieren, k?nnte uns in die H?nde unserer Verfolger treiben.

  Der Sternenhimmel bleibt hinter dem dichten Bl?tterdach des Waldes verborgen. Nur hier und da dringt ein schwacher Schimmer hindurch. Zwischen den B?umen tanzen seltsame Insekten – wenn man sie so nennen kann – und leuchten in schillernden Farben: Violett, Dunkelblau, Rosa. Weiter in der Ferne habe ich sogar ein grünliches Licht gesehen. In der Menschenwelt nennt man solche Kreaturen Glühwürmchen. Manche dieser Wesen ziehen in geordneten Reihen, als wollten sie uns den Weg durch die Dunkelheit weisen, indem sie einen zarten Lichtstrahl formen.

  ?Vielleicht sollten wir eine Pause machen,“ durchbricht Sylas pl?tzlich die Stille, die uns so lange begleitet hat. Seine Stimme klingt ruhig, aber ich erkenne die Anspannung dahinter. ?In der Dunkelheit zu navigieren ist anstrengender, als es aussieht. Au?erdem muss ich deine Wunde versorgen, Vespera.“

  Ich zucke zusammen, überrascht. Mein Blick wandert zu meinem Bein, wo das getrocknete Blut die Stoffhose verh?rtet, und dann zu Sylas. Er wusste es die ganze Zeit.

  ?Ich werde nicht wegen dieser Losniw einen Halt einlegen und riskieren, dass die Sualtier uns einholen!“ Miraels Stimme ist scharf und voller Abneigung, als sie die Arme verschr?nkt.

  ?Mirael!“ Sylas’ warnender Tonfall schneidet durch die Luft, leise genug, um kein Echo zu erzeugen, aber bestimmt. ?Ich werde nicht zusehen, wie Vespera so weitermacht. Ihre Schmerzen sind nicht das Einzige – was ist, wenn Blut auf den Boden getropft ist? Die Sualtier sind mit jenen verbündet, deren Geruchssinn selbst den kleinsten Tropfen wahrnimmt.“

  Mirael h?lt inne, als Sylas ?jene“ erw?hnt. Ihre Haltung ver?ndert sich, ein flüchtiges Z?gern durchbricht die harte Fassade. Doch nur einen Moment sp?ter zieht sie die Augenbrauen zusammen und kehrt in ihre abweisende Haltung zurück.

  Die schüchterne Mirael, die in der Str?menden Flosse kaum wagte, ihren Kopf zu heben, ist nicht die Mirael, die jetzt vor mir steht. Diese hier ist aus Stahl geschmiedet.

  ?Du willst sie weiterhin unterstützen?“ Mirael blinzelt, als k?nne sie ihren Ohren nicht trauen. Ihre Stimme ist von Unverst?ndnis und Wut durchzogen. ?Obwohl sie für den Tod deiner Schwiegermutter verantwortlich ist?“

  Sylas schweigt, doch sein Ausdruck spricht B?nde. Er denkt nach, abw?gend, aber die Antwort liegt offen vor uns allen. Der Schmerz in seinen Augen ist nicht zu übersehen – er tr?gt die Last von Frau Str?merts Tod und wei?, dass seine eigene Schuld daran nicht gering ist.

  Ist es unser Blutpakt, der ihn an mich bindet? Oder nur die Befehle seines Vaters?

  Ob Mirael mit den Tr?nen k?mpft? Ihre Mutter wurde vor ihren Augen ermordet, und seitdem hat sie keine einzige Tr?ne vergossen. Unterdrückt sie ihre Trauer – oder empfindet sie überhaupt keine?

  ?Glaubst du wirklich, dass mich der Tod von Frau Str?mert kaltgelassen hat?“ Sylas’ Stimme ist scharf vor Emp?rung, w?hrend er mit der Hand auf seine Brust zeigt. ?Natürlich nicht! Aber Vespera ist das Gef?? des Sonatius Mortaeda! Ihre Sicherheit hat oberste Priorit?t!“

  Miraels Augen verengen sich, und sie zischt mit einer Mischung aus Wut und Ungl?ubigkeit: ?Sie ist wichtiger als die Mutter deiner zukünftigen Frau?“ Sie deutet mit dem Daumen auf sich selbst, ihre Stimme bebt vor Anklage. ?Willst du mir ernsthaft sagen, dass eine wertlose Losniw mehr z?hlt als jeder Elindine in Solnya? Ist das der Grund, warum Kinder wie Mar, Wiyon und Sertan sterben mussten? Ja, ich habe sie alle gesehen!“

  Sylas erwidert ihren Blick mit einer solchen Intensit?t, dass es selbst mich erschüttert. Eine Seite von ihm, die ich bisher nicht gekannt habe. Aber wie k?nnte ich auch? Ich habe ihn kaum kennengelernt, und doch stehe ich hier, mitten in einem Konflikt, der mich tief verunsichert. Zwei Fronten – eine k?mpft für mich, die andere gegen mich.

  Der Gedanke, dass so viele Elindine wegen meiner Rolle als Gef?? des Sonatius Mortaeda ihr Leben verloren haben, schnürt mir die Kehle zu. Was ist aus den Solniw geworden, die ich auf meinem Weg zur Str?menden Flosse gesehen habe? Haben sie den Angriff der Sualtier überlebt?

  ?Ich habe nicht gewollt, dass all das passiert …“ Sylas spricht jetzt leise, fast beschw?rend. ?Aber du darfst Vespera nicht die Schuld dafür geben! Wenn du willst, bringe ich dich zurück ins Dorf.“

  Mirael blickt ihn irritiert an, als h?tte sie nicht verstanden, was er gerade gesagt hat. ?Warum sollte ich zurückkehren?“ Ihre Stimme wird fester, fast trotzig. ?Sylas, neben meiner Mutter habe ich das schüchterne M?dchen gespielt, weil das von mir erwartet wurde. Eine Solniw sollte sich so verhalten. Aber wir sind nicht mehr in Solnya, und ich muss mich nicht l?nger verstellen.“

  Sylas runzelt die Stirn, sichtbar verwirrt über ihre Worte. Ich hingegen habe geahnt, dass etwas an ihr anders ist.

  ?Du bist mein Verlobter“, f?hrt Mirael fort, ihre Stimme fest und entschlossen. ?Und es ist deine Pflicht, dich um mein Wohlergehen zu kümmern – nicht um das einer v?llig Fremden.“

  Dann wendet sie ihre Augen auf mich. Ihr Blick durchbohrt mich, voller unverhohlenem Zorn und Abscheu.

  Ist es derselbe Hass, mit dem mich auch K?nigin Mayyira angesehen hat? Wie kann allein meine Herkunft aus Losnat solch eine Abneigung hervorrufen? Oder richtet Mirael ihren gesamten Zorn auf mich, weil ich der Ausl?ser für den Angriff der Sualtier war?

  ?Ich werde Vespera nicht ihrem Schicksal überlassen“, sagt Sylas entschlossen und sieht Mirael an, die mindestens einen Kopf kleiner ist. Sein Blick ist fest, seine Miene ernst. ?Unsere Eltern m?gen uns verlobt haben, aber das ?ndert nichts daran, dass ich meinen Pflichten nachkommen muss. Jetzt m?chte ich nicht l?nger diskutieren. Ich werde Vesperas Wunde versorgen, und dann setzen wir unseren Weg fort.“

  Ich schweige. Jedes Wort von mir würde in diesem Moment nur ?l ins Feuer gie?en. Sylas kniet sich vor mir hin, begutachtet die Verletzung an meinem Bein knapp über dem Kn?chel und legt seine H?nde darüber, um seine Heilkr?fte wirken zu lassen. Ich lasse es geschehen. Es gibt keinen Grund, ihn davon abzuhalten. Schlie?lich kommt es zu keiner direkten Berührung.

  Dennoch verspüre ich diesen Groll, tief in mir verankert seit jener Nacht mit Lord Louweris. Ich wei? noch nicht, was er bedeutet, aber ich m?chte nicht, dass er mich so beherrscht, wie Mirael von ihren Gefühlen gelenkt wird.

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  Ich sehe zu ihr hinüber. Die Mirael, die mich jetzt mit Zorn in den Augen fixiert, ist nicht mehr das schüchterne M?dchen, das ich in der Str?menden Flosse kennengelernt habe. Wenn sie sich damals verstellt hat, wie war dann ihre Beziehung zu Frau Str?mert wirklich?

  Die angenehme Kühle von Sylas’ Heilkr?ften beruhigt die pochenden Schmerzen in meinem Bein. Doch ich bemerke, dass er in der Dunkelheit Mühe hat, die Verletzung genau zu erkennen. Eine Idee kommt mir, und ich hole das Astralis aus meiner Tasche. Zyar hatte es mir in diesen riesigen Wandschrank gelegt.

  Das Astralis beginnt zu pulsieren und taucht die Dunkelheit in ein sanftes Licht. Miraels Schritte n?hern sich, und sie scheint das Astralis noch nie zuvor gesehen zu haben.

  ?Gute Idee“, murmelt Sylas, und ich sehe ein L?cheln auf seinen Lippen. ?Warum bin ich nicht selbst darauf gekommen?“

  Mit einem pl?tzlichen Strahlen erhellt das Astralis den Wald. Es ist gerade genug Licht, um weiterzusehen, ohne uns allzu stark zu verraten. Ich danke Aetherion still für dieses Geschenk. Sie hatte mir gesagt, sie würde mir den Weg weisen, aber ich h?tte nicht gedacht, dass sie es so w?rtlich meinte.

  ?Was ist das?“ Mirael bleibt stehen und starrt misstrauisch auf das Astralis. Ihre Stirn ist in Falten gelegt, und sie deutet darauf. ?Ist das eine weitere gef?hrliche Waffe aus Losnat? Eine Bedrohung für uns Solniw?“

  Ich seufze. Zum ersten Mal seit meiner Enttarnung finde ich den Mut, mich zu verteidigen. ?Das ist das Astralis. Und nein, es ist keine Waffe aus Losnat. Ganz im Gegenteil – Zyar hat es mir gegeben.“

  Ihre Augen weiten sich. Entsetzt schüttelt sie den Kopf. ?Mein Schwiegervater hat dir etwas geschenkt? Nicht einmal ich habe je etwas von ihm bekommen, und ich bin seine Schwiegertochter!“

  Ich frage mich, wie diese Verlobung zustande gekommen ist. Auch wenn ich Sylas erst seit Kurzem kenne, bin ich sicher, dass er seine Zeit nicht gern mit jemandem wie Mirael verbringt.

  ?H?r zu“, sage ich und bemühe mich, ruhig zu bleiben. ?Es tut mir leid, dass euer Dorf meinetwegen so viel Leid ertragen musste. Aber ich habe eine Aufgabe zu erfüllen. Und momentan bist du mit deinen Wutausbrüchen und dieser negativen Energie eher ein Hindernis.“

  Sie hebt eine Hand, um mich zu unterbrechen, und wendet sich an Sylas. ?Du hast dein Leben einem anderen M?dchen geschworen? Warum würde mein Verlobter so etwas tun?“

  Sie h?rt mir nicht einmal zu. Durch Mirael entdecke ich Seiten an mir, die ich vorher nicht kannte – wie viel Geduld ich manchmal habe.

  ?Der Blutpakt ist für Vesperas Sicherheit“, erkl?rt Sylas ruhig, w?hrend er aufsteht. ?Mirael, sie hat Recht. Die Situation ist weitaus gef?hrlicher, als du es dir vorstellen kannst. Du redest davon, keine Zeit verlieren zu wollen, und doch h?ltst du uns mit diesen Diskussionen auf.“

  Mirael sieht abwechselnd zu ihm und dann zu mir. Ihre Augen verengen sich. ?In Ordnung. Ich werde mich zurückhalten. Aber nur, weil ich den M?rder meiner Mutter fassen will.“ Dann fixiert sie mich mit einem Blick voller Verachtung. ?Sobald das erledigt ist, werde ich mich um dich kümmern, dreckige Losniw. Denk ja nicht, dass wir Freunde werden.“

  Ich hebe die H?nde in einer abwehrenden Geste. ?Keine Sorge. Ich habe nicht die geringste Absicht, mit dir befreundet zu sein. Meine Aufgabe ist es, nach Losnat zu reisen.“

  Sylas sieht mich überrascht an. Ich habe ihm von meinem Plan noch nichts erz?hlt. ?Ich wei?, dass es verrückt klingt“, erkl?re ich. ?Aber ohne Zyar werde ich das Gedankenweben schwer erlernen. Trotzdem habe ich meine Kr?fte bereits erweckt. Und das Buch, das er mir anvertraut hat, habe ich bei mir.“

  Der graue Rucksack mit den Initialen ?I.Z.“ wurde mir ebenfalls von Zyar zur Verfügung gestellt. Wofür sie wohl stehen? Jedenfalls trage ich ihn st?ndig bei mir. Obwohl das Buch darin ein betr?chtliches Gewicht hat, bin ich froh, es mitgenommen zu haben. W?hrend des pl?tzlichen Angriffs der Sualtier h?tte ich nicht genug Zeit gehabt, alles Wichtige einzupacken.

  ?Du willst nach Losnat?“, fragt Mirael überraschend ruhig, und ich nicke zustimmend. ?Wenn das so ist, werden Sylas und ich, nachdem wir den einen Sualtier zur Rechenschaft gezogen haben, der für den Tod meiner Mutter verantwortlich ist, nach Solnya zurückkehren. Es w?re Selbstmord, dieses Dorf zu betreten.“

  Wieder nicke ich, doch der Ausdruck auf Sylas’ Gesicht spricht eine andere Sprache. Er will mich nicht allein lassen, aber eine Diskussion mit Mirael darüber würde uns nur Zeit kosten. Also schweigt er.

  ?Wenn du wirklich nach Losnat m?chtest …“, beginnt Sylas nachdenklich und legt den Zeigefinger nachdenklich auf die Lippen, ?… werden wir nicht drum herumkommen, die D?rfer auf dem Weg dorthin zu besuchen.“

  W?hrend unseres Gespr?chs setzen wir unseren Weg fort. Zwar habe ich keine Uhr, aber es muss bereits nach Mitternacht sein. Sobald die Sonne erneut hoch am Himmel zu sehen ist, wird uns unsere Reise bestimmt leichter fallen.

  ?Welche D?rfer liegen auf unserem Weg?“, frage ich neugierig, denn bislang kenne ich nur Solnya und Losnat namentlich. Das K?nigreich ist mir bekannt, doch sein Name ist bisher nicht gefallen.

  Sylas überlegt kurz, bevor er mich wissend ansieht. ?Unser erstes Ziel ist Arenath. Dort beherrschen die Elindine die F?higkeit, Sandmagie zu nutzen. Die Areni sind ?u?erst nett und gastfreundlich. Wir k?nnen dort eine Nacht bleiben, bevor wir einen zweit?gigen Marsch nach Velsoth antreten. Die Velsothier sind Meister der Schattenkunst; ihr Dorf liegt in ewiger Dunkelheit. Soweit ich mich erinnere, hat dort nie die Sonne geschienen. Danach bleiben uns noch drei Tage, bevor wir in Thalvaren ankommen, dem Sitz des K?nigreichs. Dort müssen wir wohl oder übel beim K?nig vorsprechen. K?nig Valron Feroy wird sicher wissen wollen, warum ich ohne meinen Vater diesen weiten Weg ins K?nigreich unternommen habe.“

  Ich nicke verstehend, doch im Augenwinkel bemerke ich pl?tzlich eine Abzweigung. Ein weiterer Weg? Sylas und Mirael scheinen ihn entweder nicht wahrzunehmen oder absichtlich zu ignorieren. Dieser Pfad führt über eine Brücke, die die beiden Fjorde verbindet. Von ihr sind jedoch nur noch die überreste des zerst?rten Holzes übrig. War es ein Unwetter oder das Werk von St?renfrieden? Der Wald, der uns umgibt, endet genau an den Fjorden und erlaubt einen freien Blick auf den sternenklaren Nachthimmel. Warum h?rt der Wald hier auf und setzt sich jenseits der Brücke fort? Die andere Seite strahlt eine unheimliche, negative Energie aus, die mir eine G?nsehaut über den Rücken jagt.

  ?Was liegt dort?“, frage ich neugierig und deute mit dem Daumen über die Schulter zur zerst?rten Brücke. ?Ist das eine Abkürzung?“

  Sylas und Mirael bleiben stehen und sehen mich an. Ihre Blicke sind schwer zu deuten – ist das Angst?

  ?Dieser Ort ist für uns nicht von Bedeutung“, sagt Sylas schlie?lich und l?chelt nerv?s. ?Au?erdem liegt Losnat nicht in dieser Richtung.“

  ?Schon gut, aber welche D?rfer gibt es auf der anderen Seite?“, harke ich nach. Er schweigt einen Moment, bis Mirael einspringt.

  ?Unz?hlige D?rfer, die keine Bedeutung haben“, sagt sie schroff. ?Und die Brücke ist seit Langem zerst?rt. Wir k?nnten sowieso nicht hinüber.“

  Was k?nnte auf der anderen Seite liegen, dass selbst Mirael ihren Groll mir gegenüber unterdrückt und versucht, mich von weiteren Fragen abzuhalten? Ich blicke direkt zu Sylas und signalisiere ihm, dass ich eine Antwort erwarte.

  ?Es ist besser, wenn du diesen Ort vergisst“, meint Mirael mit verschr?nkten Armen. ?Glaub mir, ich würde dich liebend gern unseren Feinden ausliefern, aber selbst das w?re nichts im Vergleich zu dem, was dort drüben auf dich warten würde.“

  ?Eines Tages wirst du erfahren, was sich jenseits des Fjords befindet“, sagt Sylas zuversichtlich. ?Aber jetzt sollten wir weitergehen. Je weiter wir uns vom Dorf und den Sualtier entfernen, desto sicherer sind wir.“

  Mit diesen Worten folge ich Sylas schweigend, den Blick starr nach vorn gerichtet. Im Augenwinkel zieht die zerst?rte Brücke an mir vorbei, ein stummer Zeuge all dessen, was in Elindros verborgen liegt. Die Geheimnisse dieses Ortes wiegen schwer, und die Weigerung meiner Gef?hrten, mir Antworten zu geben, erfüllt mich mit Unbehagen. Die Stille kehrt zurück, dicht und drückend. Schweigen sie aus Trauer, oder liegt es an meiner Frage nach dem unbekannten Ort?

  Ihre wortlose Zurückhaltung zwingt mich, mit meinen Gedanken allein zu sein. Erst jetzt wird mir bewusst, wie lebendig dieser Wald ist – je l?nger wir wandern, desto st?rker pulsiert das Leben um uns herum. Aetherion, das Astralis, leuchtet sanft und weist uns den Weg durch die Dunkelheit. Es vermittelt mir ein Gefühl von Sicherheit, auch wenn ich wei?, dass ich im Ernstfall auf Sylas angewiesen bin. Mirael und Sylas verfügen über Kr?fte, die sie gegen Gefahren einsetzen k?nnen. Doch Miraels F?higkeiten habe ich noch kein einziges Mal gesehen – nicht einmal, als sie Zeugin des Mordes an ihrer Mutter wurde. Welches Element mag sie wohl beherrschen?

  Pl?tzlich rei?t mich ein Ger?usch aus meinen Gedanken. Der Wind rauscht, doch es klingt wie ein Flüstern, beinahe wie Worte. Der Wald scheint mit mir sprechen zu wollen. Genau in diesem Moment beginnt das Astralis in meiner Hand zu pulsieren.

  ?Was bedeutet das?“ frage ich verwirrt.

  Auch Sylas hat die Ver?nderung bemerkt und bleibt stehen. ?Das Astralis wittert eine Gefahr“, sagt er mit ernster Stimme. ?Es ist mit dem Wald in Elindros verbunden. Deine Idee, es als Licht in der Dunkelheit zu nutzen, hat uns m?glicherweise eine Konfrontation erspart.“

  ?Wie meinst du das?“

  ?Aetherion war einst das Urwesen der Natur, ebenso wie die Kairon jene der Meere waren. Doch mit der Vereinbarung zwischen den Losniws und dem Sonatius Mortaeda mussten sie ihre ursprünglichen Reiche aufgeben, um den Gef??en zu dienen. Dennoch lie?en sie einen Teil ihrer Seele in Elindros zurück, um die Balance der Welt zu bewahren. Aetherion, die nun mit dir verbunden ist, spricht durch den Wald zu uns. Ihre Warnung sollte uns nicht leichtfertig erscheinen.“

  ?Dass die ehrwürdige Aetherion einer Losniw dient, ist eine Schande“, murmelt Mirael, doch laut genug, dass ich jedes ihrer Worte h?re.

  Ich entscheide mich, ihre Bemerkung zu ignorieren, und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf Sylas.

  ?Wir bleiben gedeckt“, sagt er leise. ?Achten auf jedes Ger?usch. Aetherion würde uns nicht ohne Grund warnen.“

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