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Kapitel 9: Furcht und Bewunderung

  Verschreckt wich ich etwas auf der Bank zurück.

  "Wo kommst du denn jetzt her?", fragte ich die gerade neben mir aufgetauchte Frau. Ohne das ich nur irgendetwas bemerkt hatte, hatte sie sich neben mich auf die Bank geschlichen.

  "Von einem anderen Tisch, von wo denn sonst?"

  Wie erstarrt schaute ich in ihre blauen, hell leuchtenden Augen. Sie setzte sich wieder auf und sagte mit einem breiten Grinsen:

  "Hall?chen. Mein Name ist Venys. Sch?n dich kennenzulernen. Und wie ist dein Name, wenn ich Fragen darf?"

  Mich verwirrte ihre pl?tzlich so frohe Art. Als ich ihr das erste Mal begegnet war, war sie ernst, verschreckt und verst?rt. Jedoch war dies das komplette Gegenteil von dem, was ich am vorherigen Tag gesehen hatte. Aber eine Sache war gleich. Das Feuer in ihren Augen w?hrend sie mich ansah.

  "Mein Name ist Varis. Es...freut mich auch dich kennenzulernen", gab ich nach kurzer Zeit als Antwort.

  "Aber eine Frage hab ich schonmal. Ich hoffe, es st?rt dich nicht."

  "Klar schie? los. Ich hab dich ja immerhin hierhin geholt", erwiderte sie mit einem interessierten Leuchten in ihren Augen.

  "Warum warst du, als wir uns getroffen haben, so verst?rt als du mich gesehen hattest und hast mich doch eingeladen. Dazu redest du jetzt auch vollkommen anders mit mir", fragte ich sie. Dadurch, das das Adrenalin nun auch langsam aufh?rte zu wirken, verringerte sich auch mein Tunnelblick und ich nahm die Umgebung wieder deutlicher wahr. In meine Ohren fielen wieder die Ger?usche der anderen G?ste und meine Augen erblickten das dunkle Holz des Tisches und die rote Polsterung der Bank. Ich roch die noch auf dem Tisch stehende warme Schokolade und beruhigte mich. Hastig nahm ich einen Schluck, mit der Hoffnung, dass sie noch nicht ganz kalt geworden war. Erleichtert atmete ich auf, w?hrend sich die W?rme in meinem Hals und meinem Brustkorb ausbreitete.

  Als ich wieder zu Venys schaute, sa? sie dort mit verschr?nkten Armen und leicht ver?rgertem Gesicht. Erst jetzt schaute ich sie deutlich und aufmerksam an und merkte...

  Ich hatte mich also doch nicht get?uscht oder hatte es mir eingebildet, oder?

  Ich stockte kurz, rieb mir die Augen und schaute nochmal deutlicher hin. Und doch war das, was mich so aus dem Konzept brachte immer noch da. Ich konnte meinen Augen nicht trauen. Was meine Augen dort erblickten, waren flauschige Ohren und ein energisch zuckender, buschiger Schwanz eines Fuchses. Sie hatten denselben rotbraunen Farbton wie ihre Haare und hoben sich damit von ihrer waldgrünen Kleidung ab. Die Kapuze ihres dunkelblauen Umhangs hatte sie abgesetzt, wodurch ich eben auch nun ihre tierischen Merkmale wahr nahm. Dazu trug sie ein eng anliegendes, ?rmelloses Oberteil, gefertigt aus Leder und einem weich aussehenden wei?en Stoff. Ihre Hose war gr??tenteils aus dem hellen Stoff gefertigt und in die hohen braunen Lederstiefel gesteckt. Die Kleidung roch nach der Natur, dem Wald und frischer Erde.

  "Normalerweise bin ich ja auch gar nicht so. Mich hat gestern nur etwas so sehr überrascht, dass ich keinen Ton mehr rausbringen konnte", sagte Venys in einem leicht mürrischen Ton. Doch dann setzte sie pl?tzlich ernst fort:

  "Aber genau das war ja auch der Grund, warum ich mit dir reden wollte. Du musst wissen, ich geh?re zu dem Volk der Lycanons. Wir besitzen die F?higkeit, den magischen Fluss eines Menschen als eine Abbildung seiner selbst zu sehen und dadurch seine Absichten, Gedanken und ?hnliches zu erahnen. Jedoch ist dies nicht sehr genau, wodurch wir es nur absch?tzen k?nnen. Und doch hilft es uns, um Personen einzusch?tzen und Entscheidungen zu treffen. Doch als ich in dich hinein geschaut habe, habe ich etwas Erschreckendes und doch Hoffnungserweckendes gesehen."

  Wieder lief mir dieser eigenartige, frostige Schauer über den Rücken.

  "Ich sah einen wundersch?nen Kirschbaum in seiner Blütezeit. Er wirkte, als k?nnte er all meine Sorgen von meinen Schultern hinunternehmen. An diesem Zeitpunkt breitete sich Hoffnung in mir aus, denn durch den ersten Krieg vor fünf Jahren, wurde unser Volk fast vollst?ndig aus Karnon vertrieben. Grund dafür war, dass viele von uns zu den Borgons übergelaufen waren, da die Zwerge die Stadt schon seit l?ngerem fast nur für sich behalten. Unser Volk hatte die Hoffnung, so wieder Anschluss zu der Stadt zu finden. Der Rest von uns, der sich nicht den Druiden anschloss, wurde von ihnen auf eine unglaublich kleine Zahl dezimiert. Seitdem suchen wir nach jemanden, der uns helfen k?nnte, für uns sprechen k?nnte und unseren Platz in Karnon wiederbeschaffen k?nnte. Genau das sah ich in dir. Doch aus dem Nichts erschien eine dunkle, fast schwarze Flamme und setzte das Bild wie einen Banner in Brand. Ich erschrak und sah deswegen auch so verst?rt aus, denn so etwas hatte ich noch nie gesehen."

  übermannt von der Menge an Informationen nahm ich einen weiteren Schluck, bevor ich das Glas wieder langsam auf den runden Holztisch absetzte.

  Ich atmete tief ein und aus und fragte dann:

  "Was bedeutet das also für mich?"

  Venys stutzte und antwortete dann leicht zimperlich:

  "Na also, wenn du willst, kannst du uns natürlich helfen."

  "Aber was ist mit der schwarzen Flamme? Ich verstehe zwar nicht richtig, was das alles zu bedeuten hat, aber ich verstehe auf jeden Fall, dass ein schwarzes Feuer nichts Gutes bedeuten kann", erwiderte ich. Auch wenn ich Ihnen wirklich gerne helfen würde, wusste ich einerseits nicht, ob ich es schaffen würde und andererseits wollte ich Ihnen nicht noch mehr Schwierigkeiten bringen, als sie so oder so schon hatten.

  "H?r mal, ich wei?, was ich gesehen habe und ich glaube trotzdem noch fest daran, dass du die Rettung für dieses Land bist. Und selbst wenn dieses Feuer Unglück mit sich bringt, war da immer noch der Kirschblütenbaum. Und gerade dieser Baum gibt mir diese Hoffnung, dass du unser Volk und auch die Zwerge aus der Macht der Borgons befreien kannst."

  Berührt von ihren Worten, sank ich wieder zurück auf die Bank. Selten hatte ich je so etwas in dieser Art geh?rt. Schlie?lich fasste ich jedoch eine Entscheidung:

  "Wenn du dir damit wirklich sicher bist, dann komm doch einfach mit mir und meinen Freunden mit. Unser Ziel ist es, das Artefakt der Zehn wieder zusammenzubauen, um die Stadt von den Borgons zu befreien. Theoretisch w?re es also dasselbe. Auch um dein Volk zu retten, müssen wir gegen die Druiden k?mpfen. Also, was sagst du?"

  W?hrend ich redete, nahmen ihre Augen ein immer helleres Leuchten an. Mit einem wild wedelnden Schweif begann sie aufgeregt zu nicken.

  "Ja so k?nnen wir es machen. Ich danke dir so sehr." Mit diesen Worten fiel sie mir f?rmlich um den Hals und umarmte mich.

  "?hh... Mach ich doch gerne", stammelte ich etwas überrascht über dieser Reaktion.

  Doch so pl?tzlich sie auch auf mich gestürzt war, hatte sie sich wieder gerade hingesetzt.

  "Tut mir leid, das wollte ich nicht", sagte sie knallrot und mit angelegten Ohren. Schnell schaute sie weg, wodurch die Stille zwischen uns noch unertr?glicher wurde.

  Nach einer für uns unendlich lang erscheinenden Zeit wurde sie jedoch pl?tzlich von einer Melodie durchbrochen.

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  Der harmonische Klang setzte sich aus Fl?ten, Lauten und, zu meiner überraschung, einem Dudelsack zusammen. Als ich einen Blick durch das Fenster schr?g hinter mir warf, sah ich, dass die Stadt mit einem Mal in die Tiefen der Nacht getunkt war und nur noch die Lichter der Stra?enlaternen und der H?user die Wege beleuchteten.

  Mit einem Mal kamen nun auch meine Freunde in das Gasthaus, schauten sich um und gingen schnell zu uns, nachdem sie mich gesehen hatten.

  "Na, wen hast du dir denn da geangelt?", fragte Igor mich lachend, als sie sich alle auf die lange Bank setzten, die rundherum um den runden Tisch aufgestellt war. Die Melodien der musizierenden Zwerge traten etwas in den Hintergrund, w?hrend ich begann, meinen Freunden unser neues Mitglied der Gruppe vorstellte:

  "Leute, das ist die Frau, von der ich euch erz?hlt hatte. Sie hei?t Venys und geh?rt zum Volk der Lycanons. Ihr Ziel ist dasselbe wie das, was wir verfolgen, bedeutet das Besiegen der Borgons. Ab heute wird sie uns begleiten und zu unserer Gruppe geh?ren."

  Nachdem ich meinen Satz beendet hatte, fingen meine Freunde an, ihr einer nach dem anderen mit einem L?cheln die Hand zu schütteln und sie zu begrü?en. Venys schien vollkommen überfordert zu sein, da sie ohne ein einziges Wort alle Handschl?ge erwiderte. Doch eine Sache freute mich: Ich sah die ganze Zeit über dieses fr?hliche Funkeln in ihren Augen.

  "Na, wenn wir ja jetzt einer mehr sind, dann muss ich ja die Zimmer umstrukturieren. W?re es ok, wenn ich euer Zimmer dann einfach auf 'nen Dreibett-Zimmer umbuche, M?dchen? So k?nntet ihr euch auch besser kennenlernen", schlug Igor vor, als alle durch waren.

  "Na klar. W?re das auch für dich ok, Venys?", fragte Luna dann also, um auch ihr Einverst?ndnis zu bekommen.

  "Wir wollen dich ja zu nichts bringen, was du selber nicht willst."

  Nach kurzer Zeit nickte Venys dann und sagte so leise, dass sie fast flüsterte:

  "Ja, so k?nnen wir das gerne machen."

  Doch obwohl sie das so leise gesagt hat, habe ich trotzdem ein breites L?cheln in ihrem Gesicht sitzen sehen.

  "Dann ist es beschlossen. Ich geh dann mal und buche das Zimmer um. Soll ich euch vielleicht noch was mitbringen?", fragte Igor uns. Nachdem jeder seine Wünsche ge?u?ert hatte, lockerte sich die Stimmung und ein leichtes und unbeschwertes Gefühl begleitete unsere Gespr?che. Als Igor mit den Getr?nken, die wir bestellt hatten, zurückkam, war auch Venys von ihrer anf?nglichen Scheue befreit und ich sah wieder das lebendige Wesen, das auch vorhin mit mir geredet hatte. Durch die Fragen der M?dchen erfuhren wir, dass sie vor allem geübt im Umgang mit Runen war und so auch Schutzzauber zu Barrieren umfunktionieren konnte. Gespannt h?rte ich ihrer Erz?hlung über die magischen Techniken ihres Volkes zu, wobei sie auch etwas auf die Geschichte der Lycanons einging. Jedoch lie? sie zu meiner überraschung das aus, was sie in mir gesehen hatte.

  Als wir dann nach einer langen Reihe an Gespr?chsthemen, die sich gr??tenteils auf Venys bezogen waren, wie als Beispiel ihre Lieblingsfarbe, die laut ihr "eindeutig die Farbe des Himmels" sei oder ?hnliche Themen, auf unseren Zimmern waren, sprach ich Leo an:

  "Und, hast du gefunden was du gesucht hast?"

  "So halb. An sich wollte ich mich ja nur umsehen, aber schlie?lich habe ich doch tats?chlich etwas gekauft."

  In meinem Kopf entstand ein Funken der Neugier, erzeugt durch den Feuerstein in der Hand von Leos Worten.

  "Was hast du denn aber spontan gekauft? Du bist ja eigentlich gar nicht der Typ für sowas", sagte ich deshalb überrascht.

  Gespannt wartete ich auf seine Antwort, w?hrend er angestrengt nachdachte. Nach einziger Zeit schnipste er und schaute zu mir.

  "Ich habe ein mit Marmelade gefülltes Geb?ck bei dem B?cker am Ende des Handelsviertels gegessen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie lecker das war!"

  War ja klar. Das ist mal wieder typisch Leo, dachte ich mir und lachte leise.

  "Und ich dachte schon fast, du hast irgendetwas Besonderes gekauft", sagte ich. Nun lachte ich lauter und auch Leo stimmte mit ein. So machten wir uns schlie?lich fertig und schliefen auch nach kurzer Zeit ein.

  Die folgende Nacht ereignete sich ohne jegliche Albtr?ume, wodurch sie sich ausnahmsweise tats?chlich als ?u?ert erholsam darstellte. Ausgeruht und mit mehr als vier Stunden Schlaf erwachte ich in meinem erstaunlich gemütlichen Bett. Voller Lebensenergie und Elan schlug ich Decke zur Seite, nahm mir die Sachen von der Truhe, drückte die Holztür auf und ging die Treppe hinunter. Wie immer, war ich der letzte der aufstand.

  "Du bist doch tats?chlich heute nicht der letzte, Varis!", rief Igor von einem der runden Holztische in dem Hauptraum.

  Wie kann das aber sein? Au?er uns ist doch niemand..., dachte ich mir noch etwas verschlafen, als mir einfiel, dass wir ja jetzt eine Person mehr sind.

  "Also schl?ft Venys noch?", fragte ich die anderen, w?hrend ich den Platz neben Igor einnahm.

  "Tats?chlich ja. Als wir aufgestanden, lag sie noch eingekuschelt in ihrer Decke und hat noch tief und fest geschlafen", fügte Jean hinzu und nahm einen Bissen von ihrem Brot, das mit einem roten Fruchtgelee bestrichen war. Auch ich nahm mir eine Scheibe Brot aus dem vor uns liegenden Korb und legte es auf einen Teller, den ich mir von dem Stapel neben dem Korb genommen hatte. Mit einem metallenen L?ffel in der linken Hand, ?ffnete ich das Glas, das mit einem eher dunkelblauen Gelee befüllt war. Mit dem L?ffel nahm ich etwas von dem Aufstrich, senkte meinen L?ffel auf das Brot und verstrich das Fruchtgelee. Der L?ffel glitt mit einer erstaunlichen Leichtigkeit über das Brot und verteilte alles sch?n und gleichm??ig. Ich nahm noch einen L?ffel voller Aufstrich und wiederholte den Vorgang. Schlie?lich legte ich ihn mit der W?lbung nach oben auf den Tellerrand, hob das Brot hoch und nahm einen gro?en Bissen. Auf meiner Zunge breitete sich der wohltuende Geschmack von fruchtigen Blaubeeren aus und ich l?chelte unbewusst leicht.

  "Sieht aber sehr lecker aus", sagte Luna zu mir und lachte etwas. Vollkommen aus den Gedanken gerissen, schreckte ich leicht auf und fragte daraufhin:

  "Wie kommst du darauf?"

  "Du musst wissen, du hast gerade wirklich sehr zufrieden gel?chelt, als du in das Brot gebissen hast", antwortete sie meiner Frage und schmunzelte.

  "Hi Freunde", h?rte ich neben mir jemanden sagen. Ich schaute in Richtung der Stimme und sah Venys mit zerzausten Haaren und noch halb am Schlafen. Sie g?hnte und setzte sich mit geschlossenen Augen neben Jean.

  "Guten Morgen", ert?nte es wie im Chor als Antwort. Nach einigen kurzen Gespr?chen und dem Frühstück, r?usperte sich Igor und sagte in einem ernsten Ton:

  "Leute, wir müssen über etwas reden."

  Alle drehten sich erstaunt zu ihm und auch Venys schaute mit halb offenen Augen zu ihm.

  "Was ist denn los, Igor?", fragte Leo mit einem besorgten Unterton. Nach kurzer Zeit antwortete Igor:

  "Wir haben 'nen ganz simples und doch schwerwiegendes Problem. Wir haben fast kein Geld mehr."

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