Wenn ihre bleiernen Glieder ihr K?fig waren, dann war ihre Angst der W?rter. Sie hinderte sie daran, aufzustehen und in die Freiheit zu gehen. Nirgendwo sonst war sie sich selbst so sehr ausgeliefert wie in diesem Traum. Der Tornado war gr??er als alles, was sie je gesehen hat. Begleitet von einer Alarmsirene, welche wie eine Fanfare sein Ankommen ankündigt. Der hohe, nimmer endender Ton schmerzte ihren Ohren. Vor ihr war ein Warnschild. Es geh?rte nicht hierhin und das Zeichen sollte auch ein anderes sein. Nicht die Abbildung eines Tornados, sondern eine Warnung für Steinschlag.Die Haarstr?hnen peitschten ihr ins Gesicht, blieben in ihren weit aufgerissenen Augen h?ngen. Es war, als w?re diese Naturgewalt nur dazu geschaffen worden, sie zu verschlingen. Sie konnte nicht atmen. Sie konnte nicht nach Sicherheit suchen, welche auf der anderen Stra?enseite gegenüber ihrem Kindheitshaus auf sie wartete. Vor allem aber konnte sie nicht wach werden. Nur auf die dunklen Wolken starren, welche sich über ihr erhoben. Und in deren Mitte die Naturgewalt, welche sich langsam in ihre Richtung bewegt.
Das war ihr pers?nlicher Albtraum. Ein Gef?ngnis, welches sie sich selbst geschaffen hat.
Talisa!
Die Stimme ihres Bruders schnitt durch die ohrenbet?ubende Stille. Sie versuchte, sich von diesem natürlichen Monstrum abzuwenden. Ein Blitz hellte die Umgebung auf, gefolgt von einem tiefen Grollen, welches in ihrer Brust widerhallte und sie zum Schreien brachte.
Ihr war selten so sehr bewusst, dass sie sich in einem Traum befand. Aber auch das Wissen darum half ihr nicht, sich loszurei?en. Eine Idee schoss ihr durch den Kopf, wie das grell leuchtende Warnschild, welches eigentlich in Richtung Tucsonville zu finden sein sollte. Eine Kleinstadt in der N?he des Yellowstones. Die Erinnerungen an diesen Ort geh?rten zu den schlimmsten Waffen, mit denen sie ihr Herz peinigte.
Die Finger bewegen. Sie wusste, dass der Traum bald enden würde. Sie wollte aber jetzt raus, bevor es sie erreichte.
Siehe hinunter. Hast du deine Armbanduhr an?
Die Stimme ihres Arztes war wie ein roter Faden, welcher ihr Orientierung in der Orientierungslosigkeit gab.
Erneut h?rte sie die Stimme ihres Bruders, versuchte, sich auf diese zu konzentrieren, w?hrend er ihren Namen rief. Aber sie wurde übert?nt von dem Donner, welcher über ihren kleinen K?rper fegte und sie auszul?schen drohte.
Krampfhaft versuchte Talisa ihren Zeigefinger zu bewegen. Obwohl sie auf ihren Knien sa?, konnte sie ihren K?rper nur in bleierner Schwere spüren. Als w?re sie eine aus Marmor geschlagene Statue von Apollo in Troja – dazu verdammt, den blutigen Untergang der Bewohner zu beobachten und nichts dagegen tun zu k?nnen. Das Monstrum kam n?her.
Mein Finger bewegt sich nicht!
Erneut die Stimme ihres Bruders. Ihre Atmung beschleunigte sich, als das Ger?usch einsetzte, welches das baldige Ende des Traumes ankündigte. Ein tobendes Rauschen, welches von der Wolkenfront kam, die sie nun beinahe erreicht hat. Dann spürte sie endlich ihren Finger. So schwer, als w?re er ein Klotz aus Lehm, weit davon entfernt, edler Marmor zu sein. Sie versuchte panisch, mehr zu bewegen, versuchte Richtung Handgelenk zu schauen und die Armbanduhr auszumachen und versagte. Sie musste aufwachen! Die Panik übermannte sie. Es regnete. Die kalten Tropfen fühlten sich wie Steinschl?ge auf ihrer Haut an. Ihr wurde noch k?lter. Ihre Gedanken vermischten sich. Die Stimme ihrer Mutter erklang hinter ihr, wie sie sie herauswarf, als sie achtzehn wurde.
Das Ger?usch des ankommenden Sturms wandelte sich. Nun glich es einem Poltern, ausgel?st von einem Steinrutsch, welcher langsam n?herkam, oder wie eine Armee, welche ohne das Brüllen der Krieger, auf sie zu rannte. Nur gab es keinen Steinrutsch und es gab keine Armee. Das Warnschild zeigte einen Tornado. Es erreichte sie. Ihre Ohren waren bet?ubt vom Krach. Ihr K?rper schmerzte vor K?lte, als h?tte ihre Mutter sie erneut ins eiskalte Wasser getaucht.
Und dann war es da, verschlang sie und sie war sich sicher, sie endete, nur um wie Troja erneut und erneut und erneut wiedergefunden zu werden, nie sicher, ob dieser Fund nun wirklich sie war oder nicht.
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Stolen story; please report.
Talisa schnappte nach Luft, als ihre Augen endlich aufschlugen. Ihr war so kalt, obwohl es mitten im Sommer war. Der Ventilator, welcher noch immer laut vor sich hin bl?hte, zeigte ihr, wieso. Sie war schwei?gebadet und die auf sie gebl?hte Luft kühlte ihren K?rper ab.
Mit ihren bleiernen Gliedern, welche langsam wieder an Leben gewannen, richtete sie sich langsam auf, um das Ger?t auszuschalten und zuckte sogleich zusammen, als sie eine Gestalt neben sich ausmachte.
?Khai“, kr?chzte sie, versuchte dann ihre Atmung zu kontrollieren und versuchte es erneut, ?Was ist los, Khai? Was machst du hier?“
Die forschenden Augen, welche viel zu erwachsen für den vierzehnj?hrigen Teenager waren, sahen sie eindringlich an. Eine Spur von Panik lag in seinem Blick. Er antwortete ihr nicht sofort.
?Was ist?“, fragte sie noch mal nach, nahm den Wecker zur Hand, welcher neben der Packung ihrer Schlaftabletten stand, und zuckte beinahe vor Schreck zusammen.
?Du hast gesagt, wir stehen um sieben auf“, sagte ihr kleiner Bruder vorsichtig. Er war immer zurückhaltend ihr gegenüber und sie wusste noch nicht, ob sie das so wollte oder nicht. Erst vor einem Jahr war er vor ihrer Tür aufgetaucht, bei weitem nicht genug Zeit sich kennenzulernen, nicht unter all dem Stress, dem sie beide ausgesetzt waren.
Khai war bereits angezogen. Seine roten Haare, welche genauso dunkel waren wie die ihren, waren ordentlich gek?mmt. Er hatte wahrscheinlich schon die Z?hne geputzt, gefrühstückt und seine gepackten Sachen bereitgelegt.
Talisa sprang auf, flog beinahe hin, weil ihre Beine sich noch nicht ans Bewegen gew?hnt hatten und die Decke ihr Restliches tat.
?Mist“, schimpfte sie, ?Das tut mir so leid! Ich bin gleich fertig!“
?Ist alles in Ordnung?“, fragte er mit Zurückhaltung in der Stimme. Khai versuchte, sich nie zu sehr in ihr Leben einzumischen. Es wunderte sie nicht, denn er musste furchtbar Angst haben, eine Grenze zu übertreten und auch von ihr ausgesetzt zu werden. Wie es seine Gro?eltern v?terlicherseits gemacht haben, als sie ihn zu ihrer gemeinsamen Mutter gebracht haben und wie es ihre Mutter getan hat, als sie ihn nicht einmal einen Tag sp?ter vor Talisas Tür aussetzte. Es tat ihr weh zu wissen, dass er zun?chst direkt nach seiner Geburt abgewiesen wurde und dann mit dreizehn Jahren den Schmerz der Abweisung ihrer Mutter wirklich erleben musste.
Aber auch Talisa hatte Schwierigkeiten, sich ihm zu ?ffnen. Sie hatte Angst vor dem, was er über sie erfahren würde. über das schwarze, emotionslose Loch, welches der Missbrauch ihrer Mutter in ihr zurückgelassen hat. Sie hatte Angst, in sein Loch zu blicken. Angst vor all dem, was er über sein Leben bei seinem Vater und seinen Gro?eltern erz?hlen würde. Er war schon immer in sich gekehrt und sie erkannte seine Augen. Sie waren wie ihre, und das lag nicht nur daran, dass sie verwandt waren.
?Es ist alles in Ordnung!“, rief sie und rannte ins Bad, ?Hast du schon gefrühstückt?“
Es roch nach Toast und Kaffee. Talisa war der Meinung, dass er den Kaffee nicht trinken sollte, aber es fühlte sich so seltsam an, ihm das zu verbieten.
?Ja“, sagte er, folgte ihr aus ihrem Zimmer in das Wohnzimmer und setzte sich auf sein Bett, welches hinter einer Trennwand stand. Sie wohnten in einer Zweizimmerwohnung. Sie hatte das kleine Zimmer, in welchem ein Bett und ein Schreibtisch standen, auf welchem sie den Gro?teil ihres Lebens verbrachte. Das Studium an der University of Colorado verlangte jede freie Minute und nun, wo sie Khai bei sich hatte, wollte sie umso schneller ihren Abschluss erreichen. Trotz dessen, dass ihre Mutter nichts mit ihnen zu tun haben wollte, überwies sie ihnen regelm??ig Geld, welches gerade so für den Monat ausreichte. Mit dem Nebenjob konnten sie sich manchmal etwas mehr leisten als nur das N?tigste. Das meiste Geld ging für die Wohnung aus, dann fürs Auto und anschlie?end für die Eink?ufe.
An die Schulden, welche sie sich für die Studiengebühren angeh?uft hatten, wollte sie gar nicht erst denken. Talisa wünschte sich, sie k?nnte ihnen beiden mehr bieten, aber es war finanziell einfach noch nicht drin. Ein Hoffnungsschimmer war aber in Sicht, wie das Ende eines etwas zu finsteren Tunnels. In einem halben Jahr würde sie fertig werden und dann k?nnte sie sich eine Anstellung als Journalistin suchen. Das würde ihnen beiden das Leben leichter machen. Sie k?nnten in eine gr??ere Wohnung ziehen. Khai k?nnte ein eigenes Zimmer bekommen und sich zum Frühstück mehr leisten als langweiliges Toast mit Butter.
Im Bad wusch sie sich schnell, band sich die wilden Haare zu einem Zopf zusammen und packte anschlie?end die restlichen Sachen in eine kleine Tasche, welche sie zu dem Koffer stellte, welcher schon l?nger auf sie wartete.
?Bist du bereit?“, fragte sie ihn atemlos. In seinen grünen Augen, welche keinen Zweifel daran gelassen haben, dass sie Geschwister waren, sah sie etwas Belustigung aufblitzen.
?Ich bin schon seit zwei Stunden fertig“, sagte mit dem Hauch eines unsicheren L?chelns.
Sie grinste ihm entgegen und sagte: ?Na, was habe ich für ein Glück, dass wenigstens einer von uns Clennan-Geschwistern zuverl?ssig ist. Auf gehts.“