Nach diesen ereignisreichen Stunden, die mich bis an die Grenzen meiner Kr?fte getrieben haben, empfinde ich das Ausgehen mit Sylas als einen wahren Segen. Bereits fünf Minuten sind vergangen, seit wir das Anwesen der Familie Velqorin verlassen haben. Obwohl der Dorfoberhaupt bekanntgegeben hat, dass eine Au?enstehende für einige Tage innerhalb der Mauern von Solnya verweilen wird, entgehen mir die Blicke der neugierigen Dorfbewohner keineswegs.
Sylas bleibt schlie?lich stehen und deutet auf ein Lokal. Auf einer gro?en, schwarzen Tafel steht mit wei?er Kreide ?Zur Str?menden Flosse“ geschrieben.
?Der Inhaber, Friedrich Str?mert, hat das Lokal vor zwei Wochen gemeinsam mit seiner Frau Gisela er?ffnet“, erkl?rt Sylas, w?hrend er mir weitere Einzelheiten über das Gesch?ft verr?t. ?Du wirst zwar vermutlich nicht probieren wollen, aber die Str?merts bereiten die besten Fischgerichte in ganz Solnya zu. Sie geh?ren zu den erfolgreichsten und respektiertesten Familien hier.“
Mit diesen Worten führt mich Sylas ins Innere. Ein Schwall angenehmer W?rme umf?ngt mich sofort, vertreibt die schneidende K?lte der Au?enwelt wie ein wohlwollender Atem. Mein Blick bleibt an einer Frau h?ngen, die uns mit einem L?cheln empf?ngt, das den Raum auf seltsame Weise heller erscheinen l?sst. Ihre schulterlangen, dunkelblauen Haare fallen in eleganten Wellen, wie die schimmernden Tiefen eines n?chtlichen Sees, um ein schmales, fein gezeichnetes Gesicht. Ihre grauen Augen, hell wie Sturmwolken, blicken uns an, als k?nnten sie Geheimnisse und Lügen gleicherma?en durchdringen, und doch strahlt in ihnen eine ungeahnte W?rme.
Sie ist von zierlicher Statur, mittelgro? und mit einer beinahe überirdischen Anmut, doch es sind die zarten Falten um ihre Augen, die leicht herabgezogenen Mundwinkel und eine subtile Ruhe in ihren Bewegungen, die mich vermuten lassen, dass sie das Ende ihrer vierziger Jahre erreicht hat. Es ist die Aura einer Frau, die viel erlebt hat und deren St?rke in ihrer Gelassenheit liegt.
?Der junge Velqorin!“, ruft sie mit einer solchen Freude, dass ihre Stimme die Luft erfüllt wie die ersten Strahlen eines Sonnenaufgangs nach einer endlosen Nacht. Mit weit ausgebreiteten Armen geht sie auf Sylas zu, als wolle sie ihn selbst in Licht und W?rme hüllen, und zieht ihn in eine innige, beinahe mütterliche Umarmung.
Ihr Blick wandert zu mir, und ein neugieriges L?cheln spielt um ihre Lippen. ?Ah, du musst das M?dchen sein, von dem Herr Vaylon sprach. Es ist wirklich erfrischend, mal nicht immer dieselben Gesichter zu sehen.“
Ich ringe mir ein h?fliches L?cheln ab, bemüht, meine Unsicherheit zu verbergen. ?Es freut mich, Sie kennenzulernen, Frau…“ Ich lasse den Satz bewusst offen, in der Hoffnung, dass sie ihn für mich beendet.
?Str?mert“, sagt sie mit einer leichten Verbeugung, ihre Stimme schwingt stolz. ?Gisela Str?mert. Es ist mir eine Freude, dich kennenzulernen, liebe Liora.“
Liora? Der Name trifft mich wie ein kalter Windsto?. Mein Blick schnellt zu Sylas, der ihn sofort erwidert. Sein Gesicht ist wie immer undurchdringlich, aber ich erkenne das Flackern eines geheimen Plans in seinen Augen. Das ist Zyars Werk, da bin ich mir sicher. Doch warum würde der Oberhaupt von Solnya seine eigenen Leute belügen?
Gisela rettet mich aus meinen Gedanken. ?Ich würde dich ja nach deinem Herkunftsort fragen…“, beginnt sie, ihre Augen funkeln vor Interesse, ?…aber Herr Vaylon erz?hlte, dass Sylas dich bewusstlos w?hrend einer seiner Wanderungen aufgefunden hat. Ich hoffe inst?ndig, dass deine Erinnerungen bald zurückkehren. Aber genug davon! Setzt euch, setzt euch! Ich bringe euch unser k?stlichstes Fischgericht des Tages – natürlich geht es aufs Haus!“
Panisch werfe ich Sylas einen Blick zu, stumm flehe ich um Rettung. Ohne Z?gern erhebt er die Stimme. ?Liora isst kein Fleisch.“ Seine Worte klingen wie ein unverrückbares Gesetz.
Gisela bleibt mitten in der Bewegung stehen, die überraschung ist ihr deutlich anzusehen. ?Ach, wirklich?“
?Ich habe ihr direkt nach ihrem Erwachen eine Hühnersuppe mit D?mmerfrüchten angeboten“, erkl?rt Sylas gelassen, ?Aber sie hat sie kaum gekostet, bevor sie sich übergeben musste. Danach erinnerte sie sich daran, dass sie keine Fleischgerichte vertr?gt.“
?Aber der K?rper braucht doch Vitamine!“ Gisela sieht mich mit einer Mischung aus Sorge und Entt?uschung an. Doch dann seufzt sie und ihre Schultern sinken. ?Ach, Liebes. Letztendlich kann ich dich nicht zwingen. Es w?re auch nicht richtig.“ Ein aufmunterndes L?cheln kehrt auf ihre Lippen zurück. ?Dann empfehle ich dir unser beliebtestes Gericht: Flammenkartoffeln mit Nebelwurzeln und Mondbutter!“
?Das klingt perfekt“, best?tigt Sylas mit einem anerkennenden Nicken. Gisela leuchtet f?rmlich vor Stolz und eilt in die Küche, ihre Schritte von einer kaum verhohlenen Begeisterung beflügelt.
Sylas führt mich zu einem der wenigen freien Tische, die an diesem gesch?ftigen Abend noch unbesetzt sind. Der Duft nach Gewürzen, gebratenem Teig und einem Hauch von salziger Fischluft erfüllt die Atmosph?re, und wider Erwarten fühle ich eine seltsame Ruhe über mich kommen.
?Magst du mich jetzt aufkl?ren?“, flüstere ich, sobald wir sitzen. Meine Stimme zittert vor Ungeduld, und mein Blick durchbohrt ihn f?rmlich.
Sylas beugt sich zu mir herüber, seine Augen kurz umherschweifend, um sicherzugehen, dass niemand lauscht. ?Für den Anfang…“, sagt er leise, seine Worte wie ein geheimer Schwur, ?…ist es wichtig, dass die Solniw dich als Liora kennen. Vertrau mir bitte und entspanne dich.“
Ich nicke stumm und hole tief Luft. Doch auch hier scheint mir keine Ruhe verg?nnt – s?mtliche Blicke sind auf mich gerichtet. Ob es daran liegt, dass Frau Str?mert mich so offenherzig willkommen hie?, oder daran, dass mein Aussehen weit entfernt vom typischen Erscheinungsbild der Solniw liegt, bleibt unklar. Doch eines wei? ich: Ihre Augen verraten keine Feindseligkeit. Es ist nur Neugier. Dieselbe Art von Neugier, die auch ich empfand, als all die G?ste der Menschenwelt sich versammelt hatten, um meine arrangierte Ehe zu bezeugen.
Meine Gedanken schweifen ab. Wie es wohl allen auf der Menschenwelt ergeht? Ob K?nig Mukuta mich suchen l?sst – wegen des versuchten Mordes?
Bevor sich der Gedanke festsetzen kann, kehrt Frau Str?mert mit zwei gro?zügigen Tellern zurück. Der k?stliche Duft, der von ihnen aufsteigt, trifft mich wie eine Welle: gebratene Kartoffeln, würzige Kr?uter, ein Hauch von etwas Salzigem, das nach Meer schmeckt. Sie stellt die Teller vor uns ab und zieht einen freien Sessel heran, den sie geschickt ans kürzere Ende des Tisches rückt. Aber neben Sylas ist doch noch ein Platz frei? Mit einer Handbewegung signalisiert sie uns, dass wir beginnen sollen.
Z?gernd nehme ich einen Bissen von den Kartoffeln – und in diesem Moment scheinen die Jahre zu verschwinden. Niemals zuvor habe ich etwas derart K?stliches probiert! Nicht einmal die K?che von K?nig Mukuta k?nnten solch ein Meisterwerk vollbringen.
?Frau Str?mert, dieses Gericht ist einfach himmlisch!“, sage ich ehrfürchtig und lasse den Geschmack langsam auf der Zunge zergehen.
?Das freut mich zu h?ren“, entgegnet sie mit einem zufriedenen L?cheln, bevor ihr Blick zu Sylas wandert. ?Da Liora ihr Ged?chtnis verloren hat, frage ich lieber dich: Habt ihr schon etwas herausfinden k?nnen, woher sie stammt?“ Sie sieht mich an, ihre Augen voller Mitgefühl. ?Armes Kind! Deine Eltern machen sich bestimmt gro?e Sorgen um dich.“
Ein Stich durchf?hrt mich – das schmerzhafte Wissen, dass diese Frau, so freundlich und offenherzig, nicht ahnt, dass sie von ihren eigenen Leuten belogen wird.
Mein Blick sucht Sylas, der die Worte von Frau Str?mert mit unbeirrbarer Gelassenheit entgegennimmt. Ohne mit der Wimper zu zucken, erwidert er ihr L?cheln. Ich frage mich, ob das Wort seines Vaters für ihn wie ein unumst??liches Gesetz ist. Anfangs dachte ich, Zyar wolle das Beste für seinen Sohn. Jetzt wird mir klar, dass er ihn wie eine Marionette führt.
?Wir haben noch nicht viel herausfinden k?nnen“, sagt Sylas mit gespielter Betroffenheit. ?Auch mein Vater ist mit seinen Nachforschungen nicht weitergekommen. Aber wir hoffen, dass Herr Vaylon uns helfen kann. Und wie geht es Ihnen, Frau Str?mert? Herr Str?mert habe ich heute noch gar nicht gesehen. Alles in Ordnung mit ihm?“
?Ach, ich werde jedes Jahr ?lter und vergesslicher!“, sagt sie lachend, und ihre fr?hliche, herzliche Lache erfüllt den Raum. Ich kann nicht anders, als mit ihr zu schmunzeln. ?Friedrich und Maren sollten bald zurückkommen. Sie waren heute fischen. Mirael ist in der Küche und bereitet das n?chste Gericht vor. Aber sobald sie h?rt, dass ihr geliebter Verlobter hier ist, wird sie sich beeilen, dich zu begrü?en!“
Mein Blick f?llt auf Sylas, der seelenruhig sein Essen genie?t, w?hrend Frau Str?merts Worte in mir nachhallen. Sylas ist verlobt mit einem M?dchen namens Mirael? Ich frage mich, ob er auf dieselbe Weise nicht erkennt, dass sein Vater ihn blo? herumkommandiert, ihn wie eine Marionette durch das Leben führt. Vielleicht sieht er es nicht – oder vielleicht weigert er sich, es zu sehen. Es k?nnte schmerzhaft sein, das Bild zu verlieren, das er sich von Zyar aufgebaut hat: ein fürsorglicher Vater, ein aufrichtiger Elindine. Doch je mehr ich beobachte, desto deutlicher wird mir, dass Zyar keine Fürsorge zeigt, sondern Kontrolle ausübt.
?Mama, ich habe die letzten Tische bedient, ich…“, erklingt eine melodische Stimme aus dem Hintergrund.
Ein M?dchen tritt aus der Küche, und in dem Moment, in dem sie den Raum betritt, scheint sich die gesamte Atmosph?re zu ver?ndern. Sie ist von zarter Gestalt, fast wie ein Wesen, das aus den Tiefen des Ozeans aufgetaucht ist. Ihre wasserfallartigen, hellblauen Haare schimmern, als ob sie das Licht selbst einfangen und zurückwerfen würden, und umrahmen ihr ovales Gesicht auf elegante Weise. Ihre Augen – ein leuchtendes Türkis – ziehen mich in ihren Bann, als würde ich in die unergründlichen Tiefen eines ruhigen Sees blicken.
Ihre Bewegungen sind geschmeidig und anmutig, mit einer Leichtigkeit, die fast überirdisch wirkt. Sie tr?gt eine einfache Schürze über ihrem flie?enden, hellen Kleid, doch selbst in dieser schlichten Kleidung wirkt sie wie ein Kunstwerk – ein lebendiger Tribut an die Kraft und Sch?nheit des Wassers. Trotz ihrer fragilen Erscheinung strahlt sie eine stille St?rke aus, als ob sie an ihre Arbeit gew?hnt ist und Herausforderungen mit einer ruhigen Beharrlichkeit meistert.
?Guten Abend, mein Verlobter“, ert?nt eine sanfte, fast z?gerliche Stimme. Mirael – die sich in meinem Inneren immer mehr als diejenige best?tigt, die sie zu sein scheint – spricht, und ihre Worte werden mit jedem Moment leiser, als sie meine Anwesenheit bemerkt.
Ein fast schüchternes L?cheln umspielt ihre Lippen, w?hrend ihre türkisenen Augen, die im schwachen Licht des Gasthauses aufleuchten, sich auf mich richten. Ihre Pr?senz ver?ndert sich, sie ist still, fast nachdenklich, und es scheint, als würden die leisen Bewegungen ihrer H?nde die Luft um sie herum mit einer Art Erwartung füllen.
?Mirael, das ist Liora“, stellt Frau Str?mert mich ihrer Tochter vor, ihre Stimme klingt hell und freundlich. ?Sie hat ihr Ged?chtnis verloren. Daher bleibt sie bis auf Weiteres in unserem Dorf bei Sylas und seinem Vater.“
Für einen Moment verharrt Mirael, ihr Blick bohrt sich mit einer solchen Intensit?t in mich, dass ich das Gefühl habe, in ihren Augen die Tiefe eines stürmischen Ozeans zu spüren. Sie scheint zu z?gern, ihre Gedanken zu ordnen, bevor sie sich mit einer mühsam zurückgehaltenen, fast scheuen H?flichkeit ?u?ert: ?Ich verstehe“, sagt sie, ihre Stimme flie?t wie Wasser, weich und dennoch getragen von einem gewissen Druck. ?Guten Abend, Miss. Es freut mich, Sie kennenzulernen.“
?Du kannst mich gerne Liora nennen“, antworte ich rasch. Ich bin froh, dass ich nicht versehentlich meinen wahren Namen ausgesprochen habe. ?Wir sind bestimmt im gleichen Alter. Daher fühlt sich diese H?flichkeit ein wenig seltsam an.“
Ihre Antwort ist ein kurzes, zustimmendes Nicken, gefolgt von einer Ver?nderung in ihrem Blick, der zwischen Schüchternheit und einer tiefen, fast bewundernden Neugier wechselt. ?Freut mich, dich kennenzulernen, Liora.“ Die Worte, leise und von einer spürbaren Ehrlichkeit durchzogen, kommen aus ihrem Mund wie das Flie?en eines stillen Baches.
Frau Str?mert deutet auf den freien Platz neben Sylas, und Mirael huscht eilends dorthin, als h?tte sie sich entschieden, ihre Nervosit?t in die Bewegung zu legen. Wie eine Berührung der See bricht sie durch die Stille und setzt sich. Ihre Augen flackern unruhig, als sie zu Sylas hinüberblickt, doch sie h?lt sich zurück. Die Bewunderung, die sich in ihrem Blick widerspiegelt, ist nicht zu übersehen.
?Wie geht es dir, Sylas?“, fragt sie mit einer gewissen Sanftheit, und ihre Stimme klingt ein wenig verletzlich, als ob sie den Moment festhalten wollte, der so flüchtig scheint.
?Ganz gut, eigentlich“, erwidert Sylas mit einem unbeschwerten L?cheln, seine Antwort kommt mit einer Gelassenheit, die der Nervosit?t der anderen Person widerspricht. ?Ich bin blo? sehr besch?ftigt mit Liora und ihrem verlorenen Ged?chtnis. Wir werden uns nach dem Essen auch wieder zurück nach Hause begeben.“
Miraels Augen weiten sich für einen Moment. Ihre H?nde, die vorher ruhig auf ihrem Scho? lagen, verkrampfen sich leicht, als sie ihre Frage stellt. ?Sie schl?ft bei euch?“, fragt sie, und in ihrer Stimme schwingt eine Mischung aus Sorge und Besorgnis mit. Doch sie scheint sofort zu realisieren, dass diese Frage in einer so formellen Umgebung nicht angebracht ist, und ihr Blick verflüchtigt sich in eine scheue Unsicherheit.
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?Mirael!“, zischt Frau Str?mert und wirft ihrer Tochter einen scharfen Blick zu. ?Entschuldige, Liebes. In unserem Dorf wird es nicht gern gesehen, wenn ein M?dchen unbeaufsichtigt bleibt. Doch da Zyar für deine Sicherheit zust?ndig ist, sind wir alle mit der aktuellen Lage einverstanden.“
Ein unangenehmes Gefühl regt sich in mir. Warum sollte ich nicht in der Lage sein, für mich selbst zu sorgen? Warum muss immer ein m?nnlicher Aufpasser zur Sicherheit eines M?dchens herangezogen werden? Es scheint, als ob die patriarchalischen Normen auch in Elindros über allem stehen. Doch ich glaube nicht, dass Mirael sich über einen Versto? gegen die Kultur der Solniws ?rgert, sondern eher wegen meiner N?he zu ihrem Verlobten. Warum hat Sylas nicht erw?hnt, dass er in einer solchen Verbindung mit einer anderen Elindine steht? Waren meine Gefühle tats?chlich einseitig, und habe ich mir nur eingebildet, dass auch er etwas für mich empfindet? Das darf mich jetzt nicht verwirren. Viel wichtiger sind die Worte von Frau Str?mert.
?Wie meinen Sie das, Frau Str?mert?“, hake ich nach, mein Ton bewusst scharf, mit der Hoffnung, dass sie ihre Position hinterfragt. ?Glauben Sie wirklich, dass es hier in Elindros keine anderen M?glichkeiten für eine Frau gibt, sich selbst zu verteidigen oder ihr eigenes Leben zu gestalten?“
Frau Str?mert scheint unbehaglich, als sie die Richtung meiner Frage bemerkt. Ihre Antwort ist hastig und unüberlegt: ?Nun, wir hei?en es einfach nicht gut, wenn ein M?dchen ohne ihre Eltern gelassen wird“, sagt sie, als w?re es das einzig Richtige. ?In unserem Dorf sind unsere T?chter das Wertvollste. Selbstverst?ndlich vertraue ich jedem einzelnen Solniw, aber die Lust ist nicht leicht zu b?ndigen. An keinem Ort in Elindros wird ein uneheliches Kind gern gesehen.“
?Also glauben Sie, dass Sylas oder Zyar…“, beginne ich, lasse den Satz jedoch absichtlich offen. Die Bedeutung meiner Worte schwingt in der Luft und l?sst die unangenehme Wahrheit in ihren Herzen widerhallen.
Frau Str?mert wedelt peinlich berührt mit den H?nden und redet hastig weiter: ?Aber nein, nein! Bei Rhovan Ardelons Herz!“ Ihre Worte flie?en hastig, als wolle sie der Scham entfliehen. Ihr Gesicht wird rot, als sie merkt, wie ungeschickt ihre ?u?erung war. ?Verzeih, liebe Liora. Ich wollte dir keineswegs solche Absichten unterstellen.“
?Wieso werden uneheliche Kinder in Elindros nicht gern gesehen?“, frage ich weiter, ein Hauch von Spott in meiner Stimme, w?hrend ich bemerke, dass Sylas aufmerksam zuh?rt, um die Wahrheit hinter den Lügen seines Vaters zu bewahren. ?Gibt es in Ihrer Welt gar keine Vergewaltigungen?“
Frau Str?merts Antwort kommt prompt und stolz: ?Nicht in Solnya. In unserem Dorf ist jeder ehrenhaft. Im Gegensatz zu unseren früheren Verbündeten… den Losniws. Diese abartigen Elindine zeugen ihre Kinder untereinander… Geschwister, die miteinander ins Bett steigen, nur um das Blut der Losniws reinzuhalten.“
Die Worte von Frau Str?mert durchbohren mich wie ein Dolch, unerwartet und schmerzhaft. Die Losniws zeugen ihre Kinder untereinander? Die Wahrheit lauert seit jeher in den Schatten meines Geistes, und erst jetzt, da sie ans Licht gezerrt wird, erkenne ich die Bedeutung. Entium – der Name meiner Familie. Die Antwort lag all die Zeit vor mir, verborgen in der Struktur unserer Traditionen, und ich war zu blind, zu naiv, sie zu sehen. Ein eisiger Schauer kriecht meine Wirbels?ule hinauf, als die unausweichliche Erkenntnis Gestalt annimmt: K?nnte es sein, dass auch ich das Produkt einer solchen Verbindung bin? Hat meine Mutter mich aus der Vereinigung mit ihrem eigenen Bruder, meinem Vater, geboren?
Ein Sturm wütet in mir, doch ich zwinge mich zu Fassung. Kein Zucken, kein Flackern in meinem Blick darf die Aufruhr in meinem Inneren verraten. Frau Str?mert darf nichts bemerken – nicht die geringste Andeutung, dass ihre Worte mich ins Wanken gebracht haben. Misstrauen k?nnte jeden Moment wie ein Dolch die ohnehin angespannte Fassade durchdringen.
?Die Elindine aus Losnat sind nicht ohne Grund aus unserer Gesellschaft ausgeschlossen“, unterbricht Sylas mit abf?lligem Ton die Stille, die nach der Enthüllung entstanden ist. Seine Stimme ist ruhig, aber abweisend. ?Schon w?hrend des Bündnisses gab es heftige Kontroversen über diese… Tradition.“
Frau Str?mert nickt, ihr Gesicht ist eine Maske des Zorns. ?Solche, die Velris, diesem Monstrum, einst die Treue geschworen haben, und all ihre degenerierten Nachfahren – sie verdienen keinen Platz in Elindros. Nicht in dieser Welt, nicht in einer anderen. Selbst das Nexari würde sie ablehnen.“ Ihre Stimme ist hart, ein Urteil, das keine Gnade kennt.
Ihre Worte hallen in mir nach, ein Echo, das nicht verstummen will. Die Verachtung in ihrer Stimme für jene, die ich offenbar zu meinen Vorfahren z?hlen muss, schneidet tief. Doch ich halte den Atem an, lasse keine Regung zu, nur das leise Pochen meines Herzens bleibt Zeuge meines inneren Aufruhrs.
Hassen die Elindine die Losniws wirklich so sehr? Oder ist diese tiefe Abneigung nur eine Wunde, die innerhalb der Solniws brennt – ein Echo ihres einstigen Verrats? Ist es tats?chlich so gef?hrlich, in Elindros als Losniw erkannt zu werden? Muss ich st?ndig mit Verachtung rechnen, wenn meine Herkunft aus Losnat ans Licht k?me? Und ist das der wahre Grund, warum Zyar alles daran setzt, meine Identit?t im Verborgenen zu halten?
?Das Gef?? dieses Urwesens ist doch eine Losniw“, werfe ich kühl ein und sp?he aufmerksam in Frau Str?merts Gesicht, lauernd auf irgendeine Regung.
Ihre Lippen verziehen sich zu einem harten Strich. ?In der Tat“, erwidert sie knapp und bohrt ihren Blick in meine Augen, als wollte sie mich durchschauen. ?Doch es wird einen Grund gegeben haben, warum Isilyn einst ihrer Heimat den Rücken gekehrt hat.“
?Isilyn?“ Das Wort entf?hrt mir, noch bevor ich es zurückhalten kann. Meine Stimme zittert, mehr aus Hoffnung als aus Neugier. ?Wer ist das?“
Frau Str?merts Züge gl?tten sich, die Sch?rfe ihres Blicks mildert sich, als sie in Gedanken zurückgleitet. ?Isilyn war einst Zyars beste Freundin“, beginnt sie, ihre Stimme weich wie eine alte Melodie. ?Sie haben zusammen im K?nigreich gelernt. Er, der Legat der Elemente, und sie, die st?rkste Gedankenweberin ihrer Zeit. Obwohl wir die Losniws verachten, haben wir Isilyn in unser Herz geschlossen. Sie war anders. Voller Leben, voller Licht – sie war wie eine von uns.“
Ich wage kaum zu atmen. ?Was ist mit ihr geschehen?“ Bilder blitzen vor meinem inneren Auge auf – fremde, verschwommene Erinnerungen, die wie Schatten an mir vorüberziehen.
Frau Str?mert seufzt schwer, eine Trauer, die sie lange unterdrückt hat, bricht hervor. ?Sie verschwand vor achtzehn Jahren. Es hei?t, sie k?nnte nach Losnat zurückgekehrt sein. Vielleicht wird sie dort für schreckliche Zwecke missbraucht. Oder…“ Sie z?gert, als ob das n?chste Wort Gift auf ihrer Zunge sei. ?Oder sie wurde mit ihrem Bruder verm?hlt und hat ein Kind gezeugt. Eine solche Gedankenweberin ist für die Losniw ein unbezahlbares Gut. Wer wei?, welche Grausamkeiten sie ihr angetan haben.“
Mein Atem stockt. Die Worte schmerzen wie ein Schlag. ?Hat sie… hat sie überhaupt Geschwister?“ Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, doch jede Silbe schneidet durch die Stille wie eine Klinge. Ich muss mehr erfahren, mehr über Isilyn, mehr über… mich.
Frau Str?mert legt nachdenklich den Finger an ihre Wange. ?Soweit ich mich erinnere, hatte sie nur einen Bruder. Einen ?lteren. Sein Name war…“
?Alaric.“ Die Stimme, die diesen Namen ausst??t, ist scharf wie ein Pfeil. Sie geh?rt Zyar, der pl?tzlich wie ein Schatten in der Tür steht. Alle K?pfe fahren erschrocken herum.
Seine Augen lodern wie Feuer. ?Ein gewaltt?tiger Elindine“, f?hrt er mit eisiger Stimme fort. ?Wie der Rest der Losniw. Allesamt Abschaum, der keinen Platz in Elindros verdient.“
Zeigen Zyar und Sylas nun ihre wahren Gefühle? Wenn ihr Hass auf die Losniw so gro? ist, warum sollten sie mich auf ihrer Seite wollen? Liegt es allein daran, dass ich das Gef?? des Sonatius Mortaeda bin? M?chten sie nur von meiner Macht profitieren? Ein Teil von mir sehnt sich danach, ihnen zu vertrauen, nach einem Leben in Einsamkeit endlich jemanden an meiner Seite zu haben. Doch dieser vertraute, wachsame Teil in mir, der all die Jahre in Isolation überlebt hat, flüstert eindringlich: ?Traue ihnen nicht.“
Meine Gedanken kreisen und irgendwann werden sie mich an den Rand des Wahnsinns treiben.
?Zyar, willkommen!“, ruft Frau Str?mert begeistert und erhebt sich mit einem breiten L?cheln von ihrem gemütlichen Sessel. ?Seit Wochen habe ich euch beide nicht gesehen! Wo seid ihr nur gewesen?“
?Gisela, das wei?t du doch...“, sagt Zyar und verschr?nkt die Arme vor der Brust, sein Blick ernst und durchdringend. ?…meine Auftr?ge gehen nur Soran Vaylon und mich etwas an.“
?Ach, du und deine strengen Regeln“, erwidert Frau Str?mert mit einem herzerw?rmenden Lachen, w?hrend sie die Hand l?ssig vor ihrem Gesicht schwenkt. ?Ich bin blo? froh, euch beide wohlauf zu sehen.“ Ihr Blick gleitet zu mir. ?Und unseren Neuzugang Liora.“
Alle Augen richten sich auf mich. Doch w?hrend ich mich unter ihrer Aufmerksamkeit unwohl fühle, fangen meine Augen die subtilen, bedeutungsvollen Blicke ein, die Zyar und Sylas miteinander austauschen.
?Wir müssen nun auch wieder aufbrechen“, verkündet Zyar mit einem Klatschen in die H?nde. ?Wir wissen immer noch nicht, woher Liora stammt. Und wenn wir weiter Zeit verschwenden, k?nnten ihre Eltern vor Sorge vergehen.“
?Da hast du Recht!“, stimmt Frau Str?mert zu und schnipst energisch mit den Fingern. ?Dann wünsche ich euch einen angenehmen Abend. Liebe Liora, du bist jederzeit willkommen.“
Wir verabschieden uns und verlassen die gemütliche W?rme der Str?menden Flosse. Kaum drau?en, schl?gt mir die eisige Nachtluft ins Gesicht. Ich ziehe die Jacke, die Zyar mir überlassen hat, enger um meinen K?rper. Diese Jacke ist kein Einzelfall – ein ganzer Kleiderschrank, gefüllt mit sorgf?ltig ausgew?hlten Stücken, steht mir in seinem Anwesen zur Verfügung. Jede Naht, jedes fein verarbeitete Material spricht dafür, wie gründlich und vorausschauend Zyar meine Reise nach Elindros vorbereitet hat.
Doch heute schweigt Zyar. Das Schweigen um ihn herum ist untypisch, beinahe greifbar. ?Alles in Ordnung?“, frage ich unsicher.
Sein Blick ist starr nach vorne gerichtet, als er den Zeigefinger an seine Lippen legt. ?Keine Zeit für Worte.“
?Was ist los?“, dr?ngt Sylas, die Nervosit?t in seiner Stimme unüberh?rbar.
?Seltsame Gestalten, in der N?he des Dorfes“, murmelt Zyar, seine Augen wandern ruhelos, wachsam, fast paranoisch. ?Ves muss sofort in Sicherheit gebracht werden. Sylas, sie muss schleunigst ins Anwesen. Ich werde Soran verst?ndigen. Wir dürfen kein Risiko eingehen.“
?Glaubst du, dass sie hinter ihr her sind?“, fragt Sylas besorgt.
?Es ist m?glich“, antwortet Zyar, seine Stimme von Nachdenklichkeit gef?rbt. ?Aber ich k?nnte mich auch irren. Dennoch: Vorsicht hat Vorrang.“
Ohne ein weiteres Wort eilen wir zum Anwesen zurück. Mein K?rper protestiert mit brennenden Schmerzen in den Beinen, doch ich lasse mir nichts anmerken. Als wir ankommen, zerrei?t ein lauter Knall die Stille, gefolgt von panischen Schreien.
Zyars Augen weiten sich. ?Schon jetzt?“, zischt er ungl?ubig. ?Sylas, bring Ves nach oben. Niemand darf das Grundstück betreten. Wenn sie wegen ihr hier sind, spüren sie ihre Pr?senz.“
Sylas nickt und zieht mich ins Haus. W?hrend Zyar drau?en verschwindet, führt mich Sylas mit dr?ngender Eile die enge Treppe hinauf. Doch oben angekommen, endet der Weg an einer massiven Wand – eine Sackgasse. Mein Atem geht schwer, meine Gedanken schwirren.
Dann legt Sylas die H?nde aneinander, erzeugt einen Druck, der f?rmlich in der Luft knistert. Als er die H?nde gegen die Wand drückt, breiten sich Symbole darauf aus, leuchtend und m?chtig: runde, flie?ende Linien wie Wellen, eingefasst in das scharfe Gittermuster des Windes.
Die Symbole, so erkl?rt Sylas sp?ter, sind Manifestationen der Elemente Luft und Wasser – Agalinth und Kyora, wie sie in ihrer Sprache hei?en. Luft steht für Freiheit und Bewegung, w?hrend Wasser für Tiefe und Schutz steht. Gemeinsam formen sie ein Siegel, das Barrieren durchl?ssig macht, wenn das richtige Gleichgewicht zwischen Bewegung und Ruhe hergestellt wird.
Die Wand ?ffnet sich, und ich trete mit klopfendem Herzen ein. Hinter mir schlie?t sich der Eingang wie von unsichtbarer Hand. Ich bin in Sicherheit – zumindest für jetzt. Doch die Symbolik dieser Kr?fte l?sst mich nicht los. Vielleicht, denke ich, haben Zyar und Sylas mehr Tiefe, als ich bislang gesehen habe. Oder vielleicht t?uscht auch das.
?Dieser Raum ist von au?en nicht zu erkennen“, sage ich leise, bemüht, die K?lte aus meiner Stimme zu vertreiben. Das Zittern in meinen H?nden l?sst sich nicht so leicht unterdrücken. ?Ist das eine von Zyars ausgeklügelten Zaubertricks?“
Sylas nickt langsam, ein Hauch von Stolz in seinem Blick. ?Mein Vater hat diesen Raum gemeinsam mit meiner Mutter erschaffen.“ Doch kaum hat er das gesagt, verschleiert sich sein Gesichtsausdruck, und seine Augen gleiten zu Boden. ?Verzeih... wir sollten wachsam bleiben.“
Es ist das erste Mal, dass er seine Mutter erw?hnt. Ein Name, der zwischen uns beiden bisher wie ein Schatten geschwiegen hat. Ihre Abwesenheit ist in diesem Haus so spürbar wie die eisige Leere einer verwaisten Kammer. Aber ich habe nie gefragt, nie die Lücke hinterfragt, die sie hinterlassen haben muss. Vielleicht, weil ich selbst ohne eine Mutter aufgewachsen bin und der fehlende Platz in einem Heim mir nicht fremd ist.
Ich schüttle meine Gedanken ab und frage: ?Wer k?nnte für diesen L?rm verantwortlich sein?“
Sylas hebt nur kurz die Schultern, zuckt dabei beinahe wie unter einer Last.
?Woher sollte jemand wissen, dass ich hier bin?“, frage ich schlie?lich.
Sein Schweigen sagt mir mehr, als seine Worte es je k?nnten. Die Situation zerrt an ihm, zerrt an uns beiden. Ich kann in seinem Blick sehen, wie sehr er sich wünscht, an der Seite seines Vaters zu k?mpfen, sein Dorf zu verteidigen. Aber sein Auftrag, mich zu schützen, h?lt ihn hier fest – ausgerechnet mich, die Ursache dieses Chaos’.
?Ich wei? es nicht“, sagt er schlie?lich und seufzt schwer. Seine Augen wandern zum gro?en, runden Fenster zu seiner Linken, wo die Dunkelheit von flackerndem Licht und Rauch durchbrochen wird. ?Die Losniw haben viele Feinde. Aber genauso viele Verbündete, auch hier in Elindros, die ihre Pl?ne im Verborgenen unterstützen. Manche sagen, sogar der K?nig duldet ihre Taten. Sollte das stimmen, k?nnten wir jetzt schon verloren sein.“
?K?nnen wir wirklich nichts tun?“, dr?nge ich verzweifelt und trete neben ihn, um aus dem Fenster zu sehen.
?Nein“, sagt er fest und schüttelt den Kopf, wie um jegliche Idee, sich dem Befehl seines Vaters zu widersetzen, zu vertreiben. ?Wenn sie dich in die Finger bekommen, w?re das Unheil nicht mehr aufzuhalten. Du bist das Gef?? des Sonatius Mortaeda, ja – aber dein K?rper ist sterblich. Verletzbar. Und es gibt genug unter den Losniw, die die Macht des Urwesens für sich beanspruchen würden. Nicht, um Elindros zu schützen, sondern um es zu beherrschen.“
Sein Blick ist schwer wie Blei, aber ich kann den Kampf in ihm spüren. Es sind keine Worte mehr n?tig, um die Schreie und die Explosionen drau?en zu verstehen – sie malen ein klares Bild von Chaos und Zerst?rung. Und dann sehe ich sie: violette Gaswolken, die von mehreren Punkten im Dorf in den Himmel steigen.
Mein Finger zittert, als ich auf das Fenster deute. ?Was ist das...?“
?Mord Vupu...“, antwortet Sylas leise, bedrückt. ?Der Giftnebel von Cata Sualti. Ich h?tte nicht gedacht, dass sie uns angreifen würden.“
?Cata Sualti?“, wiederhole ich, den Namen kostend wie einen bitteren Wein. ?Gibt es Probleme zwischen euch?“
?Probleme?“ Er lacht kurz, bitter. ?Nur ein Wahnsinniger würde Kontakt zu diesen Sualtier aufnehmen. Sie sind M?rder, durch und durch. Jeder von ihnen würde dir ohne Grund die Kehle durchschneiden. Ihnen geht es nicht um Macht oder Politik – sie wollen Blut.“
Ich blicke hinaus, wo der Nebel bereits die Stra?en Solnyas überzieht, und meine Gedanken jagen wie wilde Pferde. ?Wenn diese Elindine eine so gro?e Gefahr darstellen, dürfen wir die Solniw doch nicht ihrem Schicksal überlassen!“
?Ves, du verstehst das nicht!“, schneidet Sylas mir das Wort ab. ?Wenn sie dich bekommen, ist alles verloren. Mein Vater hat recht, auch wenn du das nicht sehen willst. Er opfert vielleicht das Dorf, aber er tut es, weil du wichtiger bist als jeder andere.“
Seine Worte schneiden wie ein Messer. Mein Herz zieht sich zusammen, unf?hig, diesen Gedanken zu akzeptieren. ?Ein Narr ist er, dein Vater!“, rufe ich schlie?lich, und die Wut rei?t an mir. ?Wieso sollte ich wichtiger sein als all die Leben da drau?en? Denkst du, sie sterben gern, nur weil ich hier bin?“
Sylas’ Augen sind auf mich gerichtet, still, hart, wie Stein. Ich kann nicht sagen, ob er zornig ist oder sich meine Worte langsam in ihn graben.
Ich trete zur Tür und werfe ihm einen letzten Blick zu. ?Wirst du hierbleiben und die Marionette sein, die er in dir sieht? Oder wirst du endlich selbst entscheiden, wer du sein willst?“
Er sagt nichts, doch etwas ver?ndert sich in ihm. Es ist wie das Rauschen einer Welle, die bricht.
?Bis mein letzter Atemzug erklingt“, sagt er schlie?lich, seine Stimme fest.
Pl?tzlich hebt er seine Hand, und der Kreis in meiner Handfl?che beginnt zu glühen, warm und leuchtend. Sein Halbkreis spiegelt ihn wider, eine Best?tigung des Blutsbandes zwischen uns.
Er tritt zu mir, die Entschlossenheit in seinen Augen spricht B?nde. Die Barriere, die ihn so lange festgehalten hat, ist gefallen. ?Mein Leben geh?rt dir.“
Und mit diesen Worten verlassen wir den Raum, bereit, das Unvermeidliche zu konfrontieren.