An vielen Orten in Elindros spricht man von den Gef??en des Sonatius Mortaeda. Manche sagen, es seien Frauen von solch überirdischer Sch?nheit, dass das Urwesen sie keinem Elindine überlassen k?nne. Andere hingegen glauben, die Gef??e seien von Geburt an verflucht – und nur das Bündnis mit dem Sonatius Mortaeda k?nne ihrem Dasein einen Sinn verleihen.
Für viele Elindine stehen sie über allen anderen Wesen – ausgestattet mit einer Macht, die sich keiner erkl?ren kann und die sie zu geborenen Regentinnen machen müsste. Das Dorf Losnat gilt als gesegnet durch die Kraft dieses Urwesens – oder, wie manche meinen, als verflucht. Doch eines bleibt in dieser 500 Jahre w?hrenden Bindung eine entscheidende Frage:
Warum sind es stets Frauen, die mit dieser Macht gesegnet – oder belastet – werden?
Ist es ein geheimes Bündnis, das Eldralith Entium einst mit dem Urwesen eingegangen ist? Viele Lücken bleiben in den Aufzeichnungen dieses vergangenen Ereignisses ungefüllt. Niemand kann mit Sicherheit sagen, was damals wirklich geschah – nur die Natur selbst mag Zeuge dieser alten Abmachung gewesen sein, verborgen in den Flüstern der B?ume und dem Wispern des Windes.
Nach unserer kurzen Rast am Feuer, w?hrend der wir über vieles gesprochen haben, kam das Gespr?ch auch auf meine Bestimmung. Sylas meint, dass mein Pfad einem anderen Ziel folgen muss. Schlie?lich bin ich nicht das rechtm??ige neunte Gef??. Diese Bürde h?tte meine Mutter tragen sollen. Doch warum hat sie sich dagegen entschieden? Warum hat sie mir diese Verantwortung auferlegt? Eldralith Entium und Isilyn Entium – zwei Namen, die für mich entscheidend sind, um meine Herkunft zu verstehen. Doch gleichzeitig sind sie mir so fern. Sie sind an einem Ort, an dem nicht einmal das Leben sie erreichen kann.
Ich wei? nicht, welche Blockaden das Gespr?ch mit Sylas bei Mirael gel?st hat, doch seitdem verh?lt sie sich mir gegenüber anders. Unser Gespr?ch am Lagerfeuer, unser erstes gemeinsames Lachen – eine seltsame Vertrautheit, die sich in den frostigen N?chten Elindros‘ bildet. W?re ich nicht Vespera Entium, h?tte zwischen Mirael und mir vielleicht eine echte Freundschaft entstehen k?nnen. Doch wie viel Vertrauen kann ich in diese pl?tzliche Wandlung setzen? Letztendlich bin ich immer noch verantwortlich für den Tod von Gisela Str?mert und so vielen weiteren Solniw. Kann sich Miraels Haltung mir gegenüber wirklich durch ein einziges Gespr?ch ge?ndert haben?
Die Landschaft ver?ndert sich, je n?her wir Velsoth kommen. Anfangs waren wir von einem uralten Wald umgeben, dessen verschlungene Wurzeln mir mehr als einmal Fallen stellten. Die Baumkronen ragten so hoch in den Himmel, dass sie das Licht verschluckten und den Boden in ein ewiges Zwielicht hüllten. Beim Verlassen des Waldes, nahe Arenath, wurden wir von einem glasklaren Bach empfangen, dessen Wasser wie flüssiger Kristall über moosbewachsene Steine rann. Doch jetzt, w?hrend die Sonne hoch am Horizont steht, sind wir ihr schutzlos ausgeliefert. Warum sollten wir uns auch verstecken? Der Winter in Elindros ist unerbittlich. Der Wind peitscht wie eine gnadenlose Klinge über meine Haut, doch ich konzentriere mich auf meine Gedanken, um nicht jede Sekunde zu zittern.
Sylas atmet erleichtert aus und lenkt somit die Aufmerksamkeit von Mirael und mir auf sich. ?Bis Velsoth sind es nur noch ein oder zwei Stunden.“
Die zwei Tage, die sich wie eine Ewigkeit angefühlt haben, neigen sich endlich dem Ende zu.
Meine Fü?e schmerzen vom unaufh?rlichen Marsch über den unebenen Boden. Jeder Schritt erinnert mich daran, wie sehr mein K?rper den glatten Steinboden des Schlosses in der Menschenwelt gewohnt ist. Die Menschenwelt … der K?nig und die K?nigin. Wie es ihnen wohl ergeht? Wie haben sie die Nacht meiner Flucht verarbeitet?
Zyar und Sylas, mit ihren schwarzen Kapuzenm?nteln und dem Nutzen ihrer Kr?fte, haben sicherlich für Aufruhr gesorgt. Der Schock ihrer Erscheinung muss wie ein Sturm durch das Schloss gezogen sein.
Sobald ich eins mit dem Sonatius Mortaeda bin, muss ich zurückkehren – und von meinem Vat… dem K?nig Antworten verlangen.
Pl?tzlich rei?t Sylas beide Arme hoch und st??t Mirael und mich zurück. Die Solniw und ich tauschen verwirrte Blicke. Seine K?rperhaltung ist beunruhigend – angespannt, kampfbereit. Doch warum?
Meine Augen huschen über die Umgebung. Der Wind pfeift durch das Gras, doch sonst herrscht Stille. Kein Anzeichen von Bewegung, keine Spur eines Feindes.
?Sie haben uns eingeholt“, flüstert Sylas mit einem ver?chtlichen ?chzen. ?Nicht viele, aber genug, um uns herauszufordern. Mirael, halte dich aus dem Kampf heraus. Niemand darf erfahren, dass du hier bist. Verstehst du?“
Mirael gehorcht ohne Widerrede. Sie erkennt die Dringlichkeit der Lage – genau wie ich. Doch w?hrend sie sich trotz ihrer immensen St?rke zurückhalten muss, bin ich nichts weiter als ein Klotz am Bein.
Sylas' Blick bohrt sich in meinen. ?Vespera, sie sind hinter dir her. Falls du siehst, dass ich unterliege, musst du mit Mirael fliehen. Hast du verstanden? Mithilfe des Astralis findest du den Weg nach Velsoth.“
Was redet er da? Wie k?nnte ich ihn zurücklassen? Wie zulassen, dass er sein Leben für mich opfert? Ja, ich habe den Blutpakt akzeptiert, der sein Leben an meines bindet – doch ich bin nicht bereit, ihn so früh dem Tod zu übergeben. Nicht nach all den Unschuldigen, die bereits meinetwegen sterben mussten.
Da erklingt eine Stimme. Nah und fern zugleich, ein geflüstertes Echo, das durch die Luft zu kriechen scheint.
?Welch tapfere K?mpfer die M?nner aus Solnya doch sind.“
Mein Blut gefriert. Das müssen die Elindine aus Cata Sualti sein!
?M?chtest du dich uns allein stellen? Soll ich deinen Weibern zeigen, wie gro? deine Eier wirklich sind? Oder soll ich sie dir abschneiden, Solniw?“
Die Stimme hallt aus allen Richtungen wider. Unbewusst spanne ich mich an, fürchte, dass der Feind direkt hinter mir steht. Doch Sylas hat sie l?ngst gespürt. Er wei?, wo sie sind.
Er schnaubt. ?Wie w?re es, wenn du weniger redest und mehr k?mpfst?“ Seine Stimme trieft vor Spott. ?Ihr Sualtier aus diesem Drecksloch, das sich Cata Sualti nennt – ihr seid wie Ungeziefer, das man einfach nicht loswird.“
?Oh, jetzt hast du mich aber verletzt.“ Der Fremde lacht, eine kalte, schneidende Melodie. ?Aber freu dich: Heute hast du die Ehre, von einem Sualtier get?tet zu werden.“
Dann geschieht es – schneller, als mein Verstand es erfassen kann. Der Wind vor uns zerrei?t in mehrere Schatten, Silhouetten von Gestalten, die aus dem Nichts auftauchen. In der gleichen Sekunde beschw?rt Sylas eine schützende Barriere aus Wasser um Mirael und mich, w?hrend er einen Angriff abwehrt.
Der Angreifer tritt ins Licht. Ein Gesicht aus unserer Vergangenheit.
Rasha Vane.
Der M?rder von Frau Str?mert.
Sein tiefrotes Haar f?llt in lockigen Str?hnen nach unten, seine grünen Augen leuchten bedrohlich, als stünden wir einander von Angesicht zu Angesicht. Eine Maske verbirgt den unteren Teil seines Gesichts, doch die Haut, die sichtbar bleibt, ist von zahllosen Narben gezeichnet.
Neben mir spüre ich Miraels Anspannung, ihre geballten F?uste, die zuckenden Mundwinkel. Wut. Ungezügelte Wut. Und doch bleibt sie hinter der Barriere.
Sie steht dem M?rder ihrer Mutter gegenüber. Und kann nichts tun.
?Du bist ein interessanter Kerl“, sagt Rasha Vane und mustert Sylas belustigt. ?Noch nie habe ich einen Gegner zweimal getroffen. Du bist der Erste, der mir die Stirn bieten konnte.“
Sylas' Stimme ist ein scharfes Messer. ?Dann hast du deine Gegner wohl mit Bedacht gew?hlt.“
?Denkst du, diese Welt sei nur schwarz und wei??“ Rasha Vane schnalzt mit der Zunge. ?Unsere Sp?her sind überall. In jedem Dorf Elindros’. Selbst in Solnya.“
Sylas schnaubt abf?llig. ?Erz?hl deine M?rchen jemandem, den es interessiert. Wir Solniw haben noch Ehre und Stolz.“
Rasha Vane lacht leise. ?Ist das so? Wei?t du, dass ich seit unserem letzten Treffen oft an dich gedacht habe?“
Sylas hebt eine Augenbraue. ?Oh? Hast du dich etwa in mich verliebt?“
Rasha Vane deutet auf Sylas. Sein Gesichtsausdruck bleibt hinter der Maske verborgen, doch obwohl er über Sylas’ Worte lacht, schwingt darin keine echte Freude mit.
Wir sind in gro?er Gefahr. Und wenn diese Silhouetten hinter ihm weitere Verbündete sind, brauchen wir dringend Unterstützung. Ich darf Sylas nicht sterben lassen. Aber was soll ich nur tun?
?Du!“, ruft Rasha Vane und schnipst mit den Fingern. Seine Augen fixieren mich.
?Das Gef?? des Sonatius Mortaeda. Du kommst mit uns. Drakhan Vathar wird sich auf dich freuen.“
Drakhan Vathar… Der Anführer des Dorfes Cata Sualti. Der Herr des Krieges. Ein Mann, der es wagte, Zyar Velqorin, dem Legaten der Elemente, die Stirn zu bieten.
Ich darf nicht in seine H?nde fallen. Wer wei?, welche Pl?ne er mit mir hat?
?Lass Vespera aus dem Spiel, Sualtier“, zischt Sylas ver?chtlich. ?Konzentrier dich lieber auf den Feind direkt vor deiner Nase.“
Rasha Vane wendet den Blick von mir ab, doch in dem kurzen Moment, in dem seine Augen auf mir lagen, wurde mir klar: Er wird mich nicht noch einmal entwischen lassen.
Ohne ein weiteres Wort stürmt er auf Sylas zu. Seine Dolche zucken aus den Scheiden, ihre Spitzen zielen bereits auf sein Opfer.
Sylas reagiert blitzschnell. überall um uns liegt Schnee – eine Waffe, die er meisterhaft zu nutzen wei?. Mit einer kaum sichtbaren Bewegung zieht er das Wasser aus dem gefrorenen Wei?. Feine, schimmernde F?den tanzen in der Luft, verschmelzen und formen sich zu einer gewaltigen Wasserpeitsche, die sich um seinen linken Arm wickelt – eine t?dliche Verl?ngerung seines K?rpers.
Geschickt wehrt Sylas den Angriff von Rasha Vane ab. Die Dolche des Sualtiers prallen auf die verh?rtete Oberfl?che der Wasserpeitsche – ein krachender Aufprall, als Metall auf Eis trifft. In einem Wimpernschlag hat Sylas die betroffene Stelle gefrieren lassen, sodass die Klingen nicht durchbrechen k?nnen.
Rasha Vane zieht seine Waffen zurück, dreht sich mit geschmeidiger Eleganz zur Seite und setzt zu einem neuen Angriff an. Sylas reagiert sofort. Mit einem Ruck l?st er die erstarrte Peitsche auf, das Eis zerbricht in tausend glitzernde Splitter. Das Wasser f?llt zurück in seine Kontrolle, verformt sich neu, flie?t wie eine lebendige Schlange um seinen Arm. Ein Moment des Stillstands – dann explodiert die Bewegung erneut.
Ich kann kaum atmen, geschweige denn blinzeln. Mein Blick wandert zu Mirael. Ihre H?nde sind zu F?usten geballt, ihre Kiefermuskeln spannen sich an. Ihre Augen triefen vor Besorgnis.
?Ich kann das alles beenden“, flüstert sie – mehr zu sich selbst als zu mir. ?Ich muss nur…“
Doch ich kann mich nicht auf ihre Worte konzentrieren. Der Kampf geht gnadenlos weiter, ohne eine Sekunde des Innehaltens.
Rasha Vane greift erneut an, seine Dolche tanzen durch die Luft, schnelle, pr?zise St??e, die nach Sylas’ Hals und Brust zielen. Doch der Solniw bleibt nicht stehen – er bewegt sich wie Wasser selbst, weich, flie?end, ausweichend. Er l?sst sich nach hinten fallen, nutzt die Elastizit?t seiner Wasserpeitsche, um sich wieder nach vorn zu katapultieren, mit einem peitschenden Angriff auf Rasha Vanes ungeschützte Seite.
Der Sualtier blockt im letzten Moment, doch die Wucht schleudert ihn einen Schritt zurück.
?Nicht schlecht“, murmelt er und l?sst seine Finger über die Klinge seines Dolches gleiten, w?hrend er Sylas mit einem herausfordernden Blick mustert. ?Aber nicht genug.“
Dann verschwindet er.
Mein Herz setzt aus.
Rasha Vane ist schneller, als meine Augen erfassen k?nnen. Ein Windsto?, eine pl?tzliche Bewegung – und schon taucht er direkt hinter Sylas auf, seine Dolche blitzen t?dlich auf.
Sylas dreht sich, rei?t die Arme hoch, doch er ist einen Sekundenbruchteil zu sp?t.
Ein Schnitt. Blut spritzt auf den Schnee.
Ich will schreien. Doch Sylas zuckt nicht einmal zusammen. Mit der freien Hand packt er Rasha Vane am Handgelenk, zieht ihn zu sich und l?sst seine Wasserpeitsche aus n?chster N?he losschnellen.
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Sie trifft.
Ein Schwall eiskalten Wassers bricht über den Arm des Sualtiers herein. Rasha Vane knurrt auf, als die K?lte durch seine Kleidung dringt. Ich kann sehen, wie sich seine Muskeln für einen kurzen Moment anspannen – eine flüchtige, aber deutliche Reaktion auf den schmerzhaften Druck des kalten Wassers. Diese Sekunde der Schw?che reicht Sylas, um einen weiteren Angriff zu starten.
Er zieht an der Peitsche, das Wasser folgt seiner Bewegung, schl?ngelt sich um Rasha Vanes Arm und h?rtet ruckartig zu Eis aus. Der Sualtier wird gezwungen, eine seiner Dolche loszulassen.
Doch anstatt zu fluchen oder zu fliehen, lacht er.
?Gut gespielt, Solniw. Aber…“
Mit einer einzigen ruckartigen Bewegung l?st er sich in Luft auf. Das Eis splittert, und noch bevor es den Boden berührt, ist er wieder in Bewegung.
Die F?higkeiten der Sualtier sind beeindruckend. W?hrend Sylas seine Kr?fte nur in der N?he von Wasser entfalten kann, hat Rasha Vane die bemerkenswerte F?higkeit, seinen K?rper in Nebel aufzul?sen, ohne dabei an die natürlichen Gesetze von Elindros gebunden zu sein. Diese überlegenheit zeigt deutlich, dass einige D?rfer über andere dominieren, was die Ungleichheit zwischen den Gemeinschaften umso offensichtlicher macht. Wo ist der Platz von den Losniw in dieser Hierarchie?
Seine freie Hand schnellt vor, die Klinge in einem gnadenlosen Bogen auf Sylas’ Seite zielend. Sylas springt zurück, aber zu sp?t – ein dünner, blutiger Riss zeichnet sich durch seine Kleidung. Der zweite Schlag, den der Solniw einstecken muss.
?… du bist nicht schnell genug.“
Rasha Vane tritt zurück, dreht den Dolch zwischen den Fingern und betrachtet das Blut an der Schneide. Seine grünen Augen blitzen.
?Willst du wissen, was ich an K?mpfen am meisten liebe?“ fragt er sp?ttisch. ?Diesen Moment, in dem mein Gegner begreift, dass er sterben wird.“
Er schnellt wieder vor.
Diesmal mit der Absicht zu t?ten.
Sylas weicht aus, seine Bewegungen sind geschmeidig, als er den Angriff abblockt und gleichzeitig mit der Wasserpeitsche kontert. Rasha Vane springt zur Seite, doch der Druck der Wassermasse trifft ihn am Oberschenkel und bringt ihn kurz aus dem Gleichgewicht. Ein breiter Grinser erscheint auf Sylas’ Gesicht.
?Das wird dir nicht helfen, Sualtier“, ruft Sylas, w?hrend er mit der anderen Hand das Wasser kontrolliert, das wie ein lebendiges Wesen um ihn herumwirbelt.
Aber Rasha Vane ist nicht leicht zu besiegen. Er f?ngt sich schnell und springt vor, seine Bewegungen sind blitzschnell. Diesmal zielt er auf Sylas’ Schulter, ein pr?ziser Schnitt, der tief und schmerzhaft sein k?nnte. Doch Sylas ist vorbereitet; seine Wasserpeitsche schwingt in einer eleganten Kurve, und der Dolch trifft auf das Wasser, das sich im letzten Moment h?rtet.
Ein weiterer Schlagabtausch folgt, die Klingen blitzen in der kalten Luft, und jeder Angriff wird von dem Klang aufeinandertreffenden Metalls und Eis begleitet. Sylas bleibt ruhig, konzentriert, w?hrend Rasha Vane wie ein Raubtier agiert – unberechenbar, voller Wut und Lust auf Zerst?rung.
Ich kann kaum stillstehen, mein Herz h?mmert in meiner Brust, und ich kann nicht anders, als die beiden K?mpfer zu beobachten. Sylas’ Kontrolle über das Wasser ist beeindruckend, aber ich spüre die aufkommende Ersch?pfung in seinen Bewegungen.
?Du k?mpfst gut, Solniw, aber…“ Rasha Vane lacht erneut, und es klingt wie das Knacken von zerbrochenem Eis. ?Ich habe keine Zeit für Spiele. Deine Zeit l?uft ab.“
Sylas ignoriert seine Worte und nutzt die Gelegenheit, um einen weiteren Angriff zu starten. Mit einer schnellen Bewegung schleudert er eine Wasserkugel auf Rasha Vane, die wie ein Projektil durch die Luft saust. Der Sualtier weicht aus, doch nicht schnell genug – das Wasser trifft ihn am Oberarm und verlangsamt ihn.
?Du bist unberechenbar, aber…“ Rasha Vane macht eine geschickte Bewegung und zieht seine Klinge zurück, um direkt auf Sylas loszustürmen. Sylas ist einen Augenblick abgelenkt, als Rasha Vane, mit blitzenden Augen und einem sarkastischen Grinsen, vor ihm steht. ?…es reicht nicht aus, um mich zu besiegen.“
Sylas weicht zurück, doch diesmal ist Rasha Vane bereit. Er dreht sich mit der Klinge in der Hand, und das metallische Glitzern blitzt in meinen Augen auf.
Ich kann nicht l?nger tatenlos zusehen.
Die beiden K?mpfer prallen mit voller Wucht aufeinander, und ich halte den Atem an. Rasha Vanes Klinge findet Sylas’ Unterarm, und ich sehe entsetzt, wie die scharfe Kante die Haut aufrei?t. Ein warmer Strahl Blut spritzt auf den schneewei?en Boden, ein schockierender Kontrast, der die stille K?lte um uns herum durchbricht. Sylas’ Gesicht verzieht sich vor Schmerz, die Muskeln in seinem Gesicht ziehen sich zusammen, doch er bleibt standhaft, w?hrend der Schmerz durch seinen Arm zuckend zieht.
Im n?chsten Moment springt Rasha Vane mit einer flie?enden Bewegung weit zurück, seine Augen funkeln vor Triumph. Der Abstand zwischen ihnen vergr??ert sich, doch die Spannung in der Luft bleibt spürbar, als ob der Kampf gerade erst begonnen hat. Sylas stemmt sich aufrecht, den Blick fest auf seinen Gegner gerichtet, entschlossen, sich nicht zu ergeben.
?Du bist stark, aber du bist nicht unbesiegbar“, h?hnt Rasha Vane, w?hrend er Sylas in die Enge treibt. ?Gib auf, und ich verspreche dir, dass ich dein Ende schnell und schmerzlos gestalten werde.“
?Ich werde niemals aufgeben!“, knurrt Sylas, und ich spüre den ungebrochenen Kampfgeist in seinen Worten.
Er konzentriert sich, l?sst das Wasser um ihn herum pulsieren, dann entfesselt er eine Welle aus gefrorenem Wasser, die Rasha Vane mit voller Wucht trifft und ihn zurückschleudert. Der Sualtier taumelt, aber er f?ngt sich schnell und schnaubt ver?chtlich.
?Du bist hartn?ckig. Das ist bewundernswert. Aber letztendlich wird es dir nichts nützen. Ich werde dich besiegen und deine kleinen Freundinnen hier ebenfalls.“
Ich spüre einen kalten Schauer über meinen Rücken laufen, und ich wei?, dass ich nicht l?nger unt?tig bleiben kann.
Ich will helfen! Wenn ich doch nur einen Bruchteil der Kraft h?tte, die Mirael besitzt! Wenn ich Sylas nur eine wirkliche Stütze sein k?nnte! Wer wei?, wie viel Anstrengung es ihn kostet, die Wasserbarriere aufrechtzuerhalten, die uns schützt? Ich will kein Klotz am Bein mehr sein! Wenn ich wirklich eine Losniw sein soll – noch dazu das Gef?? des Sonatius Mortaeda – dann muss ich meine St?rke beweisen.
?Du musst deinen Weg zu ihm finden.“
Die Stimme dringt mit ungewohnter Klarheit in meinen Geist, eine Stimme, die ich seit meiner Kindheit kenne, die mich immer begleitet hat. Doch seit meiner Ankunft in Elindros war sie verstummt. Warum also h?re ich sie jetzt?
?Vespera, finde deinen Weg zu deinen inneren Toren! Lass mich dir helfen!“
Und dann geschieht es.
Die Welt um mich versinkt in v?lliger Dunkelheit. Sylas, Rasha Vane, Mirael – alle verschwinden, als h?tten sie nie existiert. Stille umschlie?t mich, bedrückend und allumfassend, wie ein unsichtbarer Strick um meinen Hals. Ich bin allein.
Pl?tzlich taucht eine Hand aus der Schw?rze auf, von einem sanften, aber intensiven Licht umhüllt. Ich kneife die Augen zusammen, geblendet von der pl?tzlichen Helligkeit. Als das Leuchten schw?cher wird, wage ich es, wieder hinzusehen.
Eine Gestalt steht vor mir. Ihr Gesicht ist verborgen unter der tief gezogenen Kapuze eines langen Mantels.
?Bist du…?“ Meine Stimme klingt fremd in der Stille, als würde sie von den Schatten verschluckt. ?…die Stimme, die all die Jahre zu mir gesprochen hat?“
Doch die Gestalt schweigt. Ohne ein Wort tritt sie n?her, lautlos, fast schwebend. Mein K?rper will zurückweichen, doch ich kann mich nicht rühren. Dann durchdringt sie mich – ein eiskalter Schauder jagt über meine Haut, als würden unz?hlige Spinnennetze an mir herabgleiten.
Mein Herz h?mmert gegen meine Rippen, als ich endlich wieder die Kontrolle über meinen K?rper zurückerlange. Ich wirbele herum, sehe, wie die Gestalt sich entfernt, ihre Arme langsam hebt – mit der Eleganz eines Wesens, das jede Bewegung mit Bedacht w?hlt.
Aus dem Boden erheben sich feine, glitzernde F?den, die sich in alle Richtungen ausbreiten. Wo sie sprie?en, erhellen sanfte Lichtpunkte die Dunkelheit. Der Anblick ist atemberaubend und be?ngstigend zugleich.
Was bedeutet das? Wer – oder was – ist diese Gestalt?
Diese F?den… sie erinnern mich an die F?higkeiten der Elindine aus Losnat. Ist dieses Wesen eine Verk?rperung meiner selbst? Oder ein Echo der vergangenen Gef??e? Der Gedanke erscheint absurd, und doch… Tote sollten nicht in der Lage sein, auf diese Weise mit mir zu kommunizieren.
?Wer bist du?“ Meine Frage hallt in der Leere wider, doch erneut bleibt die Antwort aus.
Dann pl?tzlich…
Ein Bild erscheint vor meinen Augen.
Ein Junge.
Sein blondes Haar, weich und wellig, f?llt ihm bis zu den Schultern. Ich sehe ihn nur von der Seite, doch er dreht sich langsam zu mir um. Und obwohl er mich nicht zu bemerken scheint, sehe ich ihn deutlich. Seine Augen – eines von tiefem Smaragdgrün, das andere von kristallklarem Blau – blicken in die Ferne.
?Sylas…?“
Ich wende mich ruckartig um, suche nach der Gestalt, die mich hierhergeführt hat. Doch sie steht reglos im Hintergrund, als w?re sie nie n?hergekommen.
Der junge Solniw sieht weiterhin durch mich hindurch, als w?re ich nur ein Geist, eine Erinnerung, die er nicht wahrnimmt. Ich folge seinem Blick, drehe mich um – doch da ist nichts. Nur endlose Dunkelheit.
?Wo siehst du hin?“, frage ich leise.
Keine Antwort.
Trauer liegt in seinen Augen. Und etwas anderes… eine tiefe, unermessliche Leere.
Ich wende mich wieder der mysteri?sen Gestalt zu.
?Was genau m?chtest du mir zeigen?“
Die Gestalt antwortet nicht mit Worten. Stattdessen hebt sie langsam den linken Arm und richtet ihren Finger direkt auf mich. Augenblicke sp?ter wird mir der Boden unter den Fü?en entrissen. Ein Ruck durchf?hrt mich, als würde eine unsichtbare Kraft mich aus meinem eigenen K?rper zerren. Doch als ich wieder blinzele, stehe ich noch immer an derselben Stelle—oder vielmehr jemand, der genauso aussieht wie ich.
Ich sehe mich selbst aus der Ferne. Mein Doppelg?nger bewegt sich auf den Jungen zu, von dem ich mir sicher bin, dass er Sylas als Kind ist. Behutsam legt sie die H?nde auf seinen Kopf, und in diesem Moment treten feine, silbrig gl?nzende F?den aus seiner Stirn hervor. Ein kalter Schauer jagt mir über den Rücken. Es sieht grauenhaft aus—als würde mein anderes Ich ihn ausweiden—und doch zeigt Sylas’ jüngeres Selbst keine Spur von Schmerz. Stattdessen schwindet die Leere in seinen Augen. Hoffnung tritt an ihre Stelle.
?Die Gabe des Erinnerungswebens.“
Die Stimme hallt durch die Dunkelheit, sanft, aber eindringlich. Sie ist mir vertraut und doch fremd. Eine dritte Pr?senz? Oder ist es die Gestalt vor mir, die nun endlich spricht? Ich drehe mich hektisch um, doch nichts rührt sich. Kein Schatten, kein weiterer Laut.
Meine Kopie zieht sich von dem Jungen zurück, und mit ihr verschwinden die F?den in der Dunkelheit. Unsere Blicke treffen sich—grau auf grau—und mit einem Mal werde ich zurückgerissen.
Pl?tzlich ist da keine Dunkelheit mehr. Kein Doppelg?nger. Keine mysteri?se Gestalt im Mantel. Ich bin zurück in der Realit?t. Sylas. Rasha Vane. Mirael. Sie alle stehen vor mir, und doch… fühle ich mich anders.
Dann geschieht es.
Der Schnee um uns herum beginnt zu schmelzen, nicht langsam, sondern abrupt, als h?tte eine unsichtbare Hitze ihn ausgel?scht. Ich rei?e die Augen auf, als ich den Grund dafür erkenne. Hinter Rasha Vane sind pl?tzlich weitere Sualtier aufgetaucht. Ihre Masken verbergen die Gesichter, einige vollst?ndig, andere nur zur H?lfte, doch es gibt keinen Zweifel an ihrer Bedrohlichkeit. Auch unter ihnen sind Frauen, doch sie wirken ebenso gef?hrlich wie die M?nner. An ihren H?nden wabert eine seltsame Substanz—Nebel, aber in verdichteter, greifbarer Form. Ist es das, was den Schnee verschwinden lie??
?Was ist los?“, zischt Sylas, seine Stimme schneidend vor Zorn. ?Brauchst du Verst?rkung, um mich in die Knie zu zwingen?“
Rasha Vane lacht leise. ?Du bist wirklich ein amüsanter Kerl. Aber unser Drakhan erwartet die Silberne hinter dir. Das Gef?? war lange genug verschwunden. Es wird Zeit.“
?Wir haben dir den Wasserhahn zugedreht, Junge!“, ruft einer der anderen Sualtiere, seine Stimme tief und kratzig. ?Gib einfach auf und verschwende nicht unsere Zeit.“
Erst jetzt bemerke ich, dass Sylas’ Barriere noch immer steht. Seine H?nde zittern leicht, und ich begreife: Er h?lt sie mit letzter Kraft aufrecht. Warum? Dann sehe ich es.
Er schaut über die Schulter. Zuerst zu Mirael, die ihn mit einem traurigen Ausdruck ansieht. Dann zu mir.
Und in seinen Augen sehe ich dieselbe Leere wie in denen des kleinen Jungen.
Wie konnte ich sie vorher nicht bemerken?
?Er will, dass wir fliehen“, flüstert Mirael, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch. ?Wir sind umzingelt. Und egal, wie sehr ich dich verabscheue, Vespera… Ich liebe Elindros. Ich kann nicht zulassen, dass du in ihre H?nde f?llst.“
Ich starre das M?dchen an, unf?hig zu antworten. Mein Blick wandert zurück zu Sylas, der nun vollst?ndig von den Sualtieren umringt ist. Im Hintergrund steht Rasha Vane, der mich amüsiert ansieht. Dann… l?st er sich in Luft auf.
Mein Herz setzt einen Schlag aus.
Noch bevor ich reagieren kann, taucht er direkt vor mir wieder auf. Sein sp?ttisches Grinsen ist das Letzte, was ich sehe, bevor er meinen Arm packt. Er bricht die Barriere.
?Kein dummes Zeug dieses Mal“, sagt er mit gef?hrlicher Gelassenheit. Sein Blick schweift zu Mirael. ?Sie nehmen wir auch mit. Drakhan Vathar wird sie sicher zu sch?tzen wissen.“ Dann huscht sein Blick zu Sylas. Ein Schatten zieht über sein Gesicht. ?Den Solniw will ich tot sehen.“
Er rei?t an meinem Arm, und ich wehre mich instinktiv. Doch als ich mich losrei?en will, verengt sich sein Griff. Im n?chsten Moment f?hrt er mir durch die Haare, packt mich am Hinterkopf und zieht mich unsanft n?her zu sich.
Mein Atem stockt.
Sein triumphierendes Flüstern ist kaum lauter als der Wind.
?Zeit, dass sich Elindros ?ndert.“
Nein, nein! Ich bin doch hier! Ich habe in dieser Dunkelheit doch irgendetwas gelernt! Ich spüre, dass mein K?rper sich ver?ndert hat! Aber warum geschieht nichts?
?LASS SIE LOS!“
Ein markerschütterndes Brüllen zerrei?t die angespannte Stille. Sylas stürzt sich vor, rei?t mich aus dem Griff von Rasha Vane und st??t ihn mit aller Kraft von mir weg. Er stellt sich vor Mirael und mich, seine Haltung angespannt, jeder Muskel in seinem K?rper auf Verteidigung vorbereitet.
An seinen Armen formen sich zwei Wasserpeitschen. Sie zucken und schl?ngeln sich wie lebendige Wesen. Nicht Rasha Vane hat die Barriere gebrochen—Sylas selbst hat das letzte bisschen Wasser genutzt, das ihm geblieben ist.
Doch er wirkt ersch?pft. Sein Atem ist schwer, und als mein Blick über ihn gleitet, bemerke ich neue Schnittwunden an seinem K?rper und Gesicht, die vorher nicht da waren. Sein Blut tropft auf den trockenen Boden.
?Du hast deine Grenzen bereits erreicht“, sagt Rasha Vane sp?ttisch. ?Was ist? M?chtest du lieber durch meine Hand sterben als durch die meiner M?nner?“
Er h?lt kurz inne, sein Blick durchdringend. Dann spricht er weiter—und seine Worte schneiden tiefer als jede Klinge.
?Der Tod sollte dir doch bereits bekannt sein. Schlie?lich haben wir euer Dorf niedergemetzelt. Du hast Morrik und seine Hure umgebracht. Also sind wir wohl quitt, nicht wahr?“
Lyara erw?hnt er nicht. Er glaubt, Sylas h?tte die beiden Sualtiere get?tet.
Sylas’ Finger zucken, sein ganzer K?rper scheint sich für den Kampf zu wappnen.
?Bringen wir es zu Ende“, zischt er.
?Liebend gern.“
Rasha Vane hebt seinen Zeigefinger, und mit einer einzigen Bewegung entrei?t er Sylas die Wasserpeitschen. Die Masse verformt sich, gleitet über seine Haut, sammelt sich an seiner Fingerspitze wie ein schimmernder, aufgeladener Nebel und l?st sich auf.
?Ich werde deinem Leben ein schnelles Ende setzen.“
Er st??t sich ab, rast auf Sylas zu.
Doch Sylas rührt sich nicht.
Er bleibt stehen, wehrlos, regungslos. Er nimmt sein Schicksal an.
Nein! Das darf nicht passieren!
Das Gedankenweben! Das Gedankenweben! Ich muss… irgendetwas tun!
Ich sehe sein Gesicht vor meinem inneren Auge. Nicht den Sylas, den ich kenne, sondern das Kind. Den Jungen mit den traurigen Augen.
Und dann sehe ich den Sylas von heute.
Hoffend, dass mein Tun nicht sinnlos ist, ahme ich die Bewegungen meines Doppelg?ngers aus der Vision nach. Ich lege meine H?nde an Sylas’ Kopf, spüre die W?rme seiner Haut. Ich schlie?e die Augen.
Bitte, bitte, BITTE!
Ich ziehe meine H?nde langsam zurück. Und dann sehe ich sie.
Silberne F?den.
Sie ragen aus Sylas’ Kopf hervor, fein und schimmernd wie Mondlicht auf ruhigem Wasser. Im Augenwinkel erkenne ich Rasha Vane—er bewegt sich langsamer.
Habe ich… die Zeit beeinflusst?
Ich starre auf die F?den zwischen meinen H?nden und Sylas. Ein sanftes Leuchten umgibt sie, strahlt eine angenehme W?rme aus. Die Energie pulsiert leicht, fast wie ein Herzschlag.
Doch… was tue ich nun?
Meine Gedanken rasen. In all den Erinnerungen, die ich vor mir sehe, gibt es eine, die mir ins Auge f?llt. Eine, die sich von den anderen abhebt.
Etwas Bedeutsames.
Etwas, das mich die wahre Bedeutung meiner Kraft erkennen l?sst.
?DU BASTARD!“
Ein wütender Schrei zerrei?t den Moment, und ich schrecke auf.
Die Zeit l?uft wieder normal.
Und Sylas—Sylas steht nicht mehr vor mir.
Mein Blick ruckt zu Rasha Vane. Seine Maske ist zerrissen. Die gesamte linke Seite seines Gesichts ist entbl??t—und gezeichnet von einer brennenden, klaffenden Wunde.
Ein Flammenbrand.
Seine Haut ist ger?tet, geschw?rzt, verzogen von der pl?tzlichen Hitze.
Er fletscht die Z?hne vor Wut.
?Du hast die ganze Zeit nur so getan!“ Seine Stimme bebt. ?Wie lange kannst du schon das Feuer kontrollieren?!“
Mein Blick wandert zu Sylas.
Er steht mit zitternden H?nden da. Starrt auf seine eigenen Finger, als würden sie ihm nicht geh?ren.
Er begreift nicht, was geschehen ist.
Doch ich… ich kenne die Antwort. Zum ersten Mal besitze ich die Erkenntnis, nach der alle suchen.