Das Herz schlug ihm bis zum Hals, doch Robert gab sich alle Mühe, ruhig zu bleiben. Damit hatte er Erfahrung. Langsam schob er seinen Chips-Stapel in die Mitte des mit grünem Filz bezogenen Tisches und betete, dass seine Finger nicht zitterten. Zum Glück taten sie das nie. Und auch heute hatte er Glück, denn seine beiden Mitspieler rechneten schnell im Kopf nach, dann warf der eine seinen gesamten Stapel in die Tischmitte, der genau dem entsprach, was Robert gesetzt hatte. Der andere starrte ihn drei Augenblicke lang an, dann schmiss er die Karten mit der Bildseite nach unten zum Dealer.
?Du führst irgendwas im Schilde. Eigentlich kannst Du auf diesen River kein gutes Blatt haben. Aber du führst irgendwas im Schilde.“ Unzufrieden knurrend schüttelte der Mann seinen fleischigen, haarlosen Kopf, schob die Sonnenbrille hoch, fuhr sich über die Augen, setzte die Sonnenbrille wieder auf und knurrte erneut.
In der Tat lagen drei Damen, Pik, Karo und Herz, die Kreuz Neun und die Karo Sieben. Flush und Straight waren nicht m?glich. Der andere Spieler l?chelte selbstgef?llig. Als Robert zwei Siebener, Kreuz und Herz, hinlegte, rutschte ihm das L?cheln aus dem Gesicht.
?Das kann doch nicht wahr sein!“, polterte er los und schmiss seine Herz Neun und Herz Ass auf den Tisch. Nonchalant zuckte Robert mit den Schultern und sammelte die Chips ein. Nun war es Heads Up, gegen den Mann mit dem fleischigen Gesicht. Er sah ein bisschen aus wie ein Bernhardiner, den man rasiert hatte. Er ging in der folgenden Runde blind all in. Robert brauchte nur noch einen kleinen Teil seines Stapels, um zu callen. Sie spielten offen, aufgrund der Pocket Herz Acht und Herz Neun von Robert gegen die Kreuz Dame und den Kreuz K?nig des Bernhardinermannes sah es erstmal schlechter für ihn aus. Doch schon zum Flop hatte er den Flush zusammen und gewann.
Vereinzelt brach Applaus los. Robert blinzelte, atmete durch und nahm erst jetzt wieder die etwa 90 Menschen wahr, die um ihn herum verteilt sa?en. Er hatte eben den Finaltisch gewonnen, und damit rund 10.000 €. Der schmucklose Raum mit depressionsgrauem Kurzflorteppich und grellen Neonr?hren an der Decke war mit zehn Pokertischen vollgestellt, an denen gespielt worden war, bis nur noch neun Menschen übrig waren. Diese hatten gerade um den Sieg gespielt.
Selbstverst?ndlich war diese Runde hochgradig illegal und nur auf pers?nliche Einladung zug?nglich. Die anderen Spieler und vereinzelten Spielerinnen betrachteten ihn ausdruckslos. Dennoch erkannte Robert die Mischung aus Gier, Missgunst und Achtung, die sich auf seinen Gewinn, ihn und sein Spiel bezogen. Es handelte sich definitiv um keinen Knabenchor.
Der MC gratulierte ihm laut und steckte ihm dann den Umschlag mit dem Preisgeld zu. W?hrenddessen str?mten die Leute nach drau?en, zumeist stumm, nur sehr vereinzelt unterhielten sie sich ged?mpft.
Drau?en lag die Kaiserslauterer Innenstadt, leergefegt an einem Mittwoch um drei Uhr in der Nacht. Zwei Amerikaner unterhielten sich in dem raumgreifenden Tonfall, der ihnen zu eigen war, halb gegessene Gemüsed?ner tragend. Ansonsten war es dunkel, k?lter als die Tage zuvor und unbestimmt feucht. Robert versenkte die H?nde in den Jackentaschen und machte sich auf den Heimweg. Zielstrebig marschierte er den Bürgersteig entlang. In der Fu?g?ngerzone blieb er kurz an einem der dunklen Schaufenster stehen, dann bog er um eine Ecke. Der Moment hatte gereicht, um seinen Verdacht zu best?tigen: Er wurde verfolgt. Der Fakt, dass seine Verfolger sich nicht besonders geschickt anstellten, gab ihm Anlass zur Hoffnung, trotzdem machte ihn der Vorgang nerv?s, mit seinen 10.000€ in der Tasche. Also bog er schnell erneut ab, und dann wieder. Nach der dritten Ecke fing er an zu rennen. Das Schlagen von Stiefeln auf Pflastersteine verriet ihm, dass seinem Verfolger es ihm gleichtaten. Zum Glück hatte er Erfahrung im Wegrennen. Er schlitterte um die Ecke und w?re fast auf dem feuchten Stein ausgerutscht. In letzter Sekunde konnte er sich an der H?userecke abstützen und auf den Beinen halten. Wild ruderte er mit den Armen, w?hrend er weiterlief.
Hinter der n?chsten Ecke erkannte er, dass er seine Verfolger str?flich untersch?tzt hatte, als ein gro?er Mann aus einem Hauseingang trat und ihm ein Bein stellte. Die Tr?gheit seiner etwa 85 kg Masse trugen ihn weit über das Bein des Mannes hinaus, bis er der L?nge nach hinschlug. Er schaffte es, auf seiner rechten Schulter zu landen und dabei abzurollen. Wild ruderten seine Beine, als sie seinen K?rper überholten und auf dem Boden landeten. Drei Herzschl?ge lang war die Welt wie eingefroren, dann setzte der Schmerz ein. Leider hatte Robert nicht viel Zeit, sich mit dem Schmerz in seiner Schulter und den Armen auseinanderzusetzen, da ihn ein Stiefel in die Rippen traf.
?Du dreckiger Bastard!“, brüllte der Stiefeltr?ger und trat erneut zu.
?Das Geld! Nimm ihm erst das Geld ab, du Trottel!“ Seine Verfolger hatten sie erreicht und wiesen den Stiefeltr?ger zurecht. Mehr aus Instinkt denn aus rationaler überlegung nutzte Robert die Sekunden, in denen der Stiefeltr?ger sich zu seinen Kumpanen umdrehte und nach einer Rechtfertigung für sein Handeln suchte.
?Nenn mich nich‘ Trottel!“, begann er und machte eine Pause zum Nachdenken. ?Ich musste ihn ja ers’mal stoppen!“
W?hrenddessen hatte Robert seine Arme unter den K?rper gebracht. Er atmete ein, kniff die Augen zusammen und stie? sich hoch. In einer Bewegung, von der er hoffte, dass sie flie?end aussah, brachte er seine Beine unter seinen Schwerpunkt, erhob sich und rannte.
?Hey! Bleib hier!“
Warum er das tun sollte, blieb ihm schleierhaft und er verspürte nicht das Bedürfnis, nachzufragen. Im Kopf z?hlte er drei Sekunden, bevor er erneut das Stampfen von Stiefeln auf Stein h?rte. Er bog um eine Ecke, dann wieder, dann wieder. Pl?tzlich sah er, wie etwa vierhundert Meter die Stra?e runter eine Haustür langsam Richtung Schloss fiel. Robert mobilisierte seine letzten Kr?fte und sprintete los. Im letzten Moment schob er einen Finger zwischen Tür und Angel, ?ffnete sie einen Spaltbreit und schob sich hindurch. Grob riss er die Tür hinter sich ins Schloss, dann presste er sich an die Wand und lauschte. Warum er sich an die Wand presste, wusste er selber nicht; es fühlte sich nach der richtigen Reaktion auf die Situation an. Als er die stampfenden Schritte vernahm, hielt er sogar den Atem an. Als die Schritte die Stra?e herunterkamen, wurden sie langsamer, bis sie schlie?lich stehen blieben. Robert spürte wie sein Herz kurz aussetzte. Eine gelbe, funzelige Stra?enlaterne warf drei Schatten durch die Milchglasscheibe ins Treppenhaus.
?Wo ist er hin?“ Robert atmete auf. Scheinbar hatten sie ihn nicht gesehen.
?Er kann ja nicht verschwunden sein. Sucht alles ab.“
Pl?tzlich wurde es hell im Flur, als eine Wohnungstür ge?ffnet wurde.
?Hallo?“, fragte eine Frauenstimme.
?Da ist jemand im Haus!“, sagte eine Grobianstimme von der Stra?e.
?Was suchen Sie hier?“, fragte die Frau ihn. ?Was sind das für Typen da drau?en?“ Die genannten Typen hatten begonnen, gegen die Tür zu h?mmern.
?Hey! Lass uns rein!“, brüllten sie. Wieder fragte sich ein kleiner, vom panischen Rest abgekoppelter Teil seines Verstandes, wieso zum Geier jemand dieser Aufforderung nachkommen sollte.
?Bitte! Ich wei? nicht, wer die sind. Die wollten meinen Geldbeutel klauen, dann bin ich abgehauen und habe mich hier versteckt. Bitte!“, flüsterte er heiser.
Die Frau z?gerte. Das H?mmern wurde dringlicher. Dann schien die Frau eine Entscheidung zu treffen. Als sie aus dem Licht ihrer Wohnung trat und das Flurlicht anschaltete, sah Robert, dass sie h?chstens Mitte 20 war. Vorsichtig stieg sie die Stufen hinab zur Eingangstür.
?Hier ist niemand, verschwindet!“, rief sie laut.
?Lassen Sie uns bitte kurz nachschauen. Wir wurden bestohlen und würden gerne unser Eigentum wieder an uns nehmen.“
?Hier ist niemand“, wiederholte die Frau. Das H?mmern hatte aufgeh?rt.
?Sind Sie sicher?“, fragte eine Stimme. Der Tonfall klang gleichzeitig bedrohlich und harmlos-interessiert.
?Ganz sicher. Und jetzt verschwindet, sonst hole ich die Cops!“
?Kein Problem. Entschuldigen Sie die St?rung.“ Die Schatten entfernten sich von der Tür.
?Danke.“ Keuchend stemmte er die H?nde auf die Knie und beugte sich nach vorne. Eine Weile war er haupts?chlich mit atmen besch?ftigt, dann richtete er sich auf. ?Da hast du mir echt den Arsch gerettet.“
Die ganze Zeit über hatte die Frau sich nicht bewegt, sie stand immer noch mit verschr?nkten Armen vor der Haustür.
?Einer von euch beiden hat gelogen“, stellte sie fest. Robert war nicht sicher, ob es sich um eine Frage handelte, also antwortete er vorsichtshalber. ?Ja, und zwar er. Ich habe vorhin beim Poker gewonnen, das hat ihm nicht so gepasst.“
Unbewegt musterte die Frau ihn. Sie holte einmal tief Luft, lies dann die Arme sinken und stieg die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf. In der Tür blieb sie stehen, und drehte sich zu Robert. ?Was ist los. Kommst du rein oder willst du lieber wieder nach drau?en, zu deinen Freunden?“
Das lie? er sich nicht zweimal sagen. Zwei Stufen auf einmal nehmend sprang er die Treppe hoch, bevor er sich sorgf?ltig die Schuhe an der Fu?matte abstreifte. Es waren zwei Katzen abgebildet, darunter stand, ?Caro wohnt auch hier“. Hinter der Schwelle schlüpfte er aus seinen Sneakern, indem er mit dem jeweils anderen Fu? auf die Ferse trat. ?Danke, Caro.“
Die angesprochene, welche Filzhausschuhe trug, zog eine Augenbraue hoch. ?Das sagtest du schon. Drink?“
?Auf jeden Fall!“
Sie ging vor und bog nach rechts durch eine Tür. Jojo vermutete, in die Küche. Der Flurboden bestand aus kotzbraunem Teppich, hatte au?er einem Schuhregal und einer Garderobe nur einen runden Spiegel und drei alte Filmplakate zu bieten. Es gingen jeweils zwei Türen nach links und zwei nach rechts ab. Die hintere linke Tür stand offen, die hintere Rechte, durch die Caro verschwunden war, ebenfalls. Achselzuckend folgte er ihr. Sie war damit besch?ftigt, Tonic aus einer Discounter-Plastikflasche in zwei mit Eiswürfeln, Gurkenscheibe und, wie Robert mutma?te, Gin zu füllen. Sie reichte ihm eins der Gl?ser, nickte ihm kurz zu und nahm dann einen tiefen Schluck.
?Also. Poker. Kann man davon leben?“
Robert musste lachen. ?üblicherweise schon, wenn man nicht wegen der Preisgelder verm?belt wird.“
?Von was für Preisgeldern reden wir hier?“
?500€, etwa“, log Robert.
Caro pfiff durch die Z?hne. ?Das sind etwa zwei bis vier Monate Lebensmittel, je nachdem, wie viel ich feiern gehe.“
?Tja. Kannst du Poker?“
?Kein bisschen. Ist das schwer?“
Robert zuckte die Schultern. ?Eigentlich nicht. Der Trick ist, seine Mitspieler zu lesen. Oder Mitspielerinnen. Wenn du Karten hier hast, zeige ich es dir.“
?Nur, dass du Bescheid wei?t, um Geld spiele ich auf keinen Fall mit dir.“
Wieder lachte Robert. ?Kein Problem, wir spielen einfach um Erdnüsse. Hast du Erdnüsse da?“
Caro betrachtete ihn über den Rand ihres Glases. ?Schade. Ich habe mich fast auf eine Partie Strippoker gefreut.“
Etwa eine Dreiviertelstunde sp?ter sa?en sie in verschiedenen Stadien der Nacktheit an ihrem Küchentisch. Caro sa? in ihrem H?schen da. Robert trug kein Shirt mehr, allerdings hatte er es verloren, als er bei einem offensichtlichen Bluff von Caro ausgestiegen war. Seine definierte Muskulatur zog immer wieder ihre Blicke auf sich, sodass sich sein Opfer gelohnt hatte. Insgesamt wusste er, dass er ein attraktiver Mensch war, mit hohen Wangenknochen, hellblauen Augen, dunklen Locken und dem drahtigen, kr?ftigen K?rperbau.
The tale has been taken without authorization; if you see it on Amazon, report the incident.
Gebannt beobachtete er, wie Caro langsam ihr H?schen über die Hüfte streifte. ?Jetzt bin ich wohl pleite. Worum spielen wir nun?“
Die Sonne brannte vom Himmel herab. Die staubige Stra?en und gelben H?userfassaden wirkten wie der Boden eines riesigen Backofens, dessen Zweck es schien, alles zu Staub zu vertrocknen. Hartn?ckige Sukkulenten und vereinzelte Palmen s?umten die Landschaft. Obwohl auch sie die Farbe von Sand angenommen hatten, wie alles hier, wusste Kirk, dass sie nach drei Tropfen regen in blühendem Grün explodieren würden.
Mit einem Halstuch, das er seit drei Tagen auch als Handtuch missbrauchte, tupfte er sich den Schwei? ab, der sich unterhalb seiner Hutkrempe angesammelt hatte.
?Schei?loch-Land“, brummte sein Partner Mike. Er sprach Englisch, aber da sie beide Amerikaner waren, war das wenig verwunderlich.
?Zeit, dass wir den Wichser finden und uns von hier verpissen.“
Kirk warf ihm einen Seitenblick zu. ?Ruhig Blut, Brauner. Unser Informant war bisher immer verl?sslich. Wir bringen das jetzt nach Lehrbuch zuende, dann trinken wir ein kühles Blondes und holen uns einen Orden ab.“
Hatte er gerade wirklich kühles Blondes in einem ganzen Satz verwendet? Verdammte Schei?e, er wurde wie sein Onkel. Das passierte, wenn man immer die jungen Wilden auf’s Auge gedrückt bekam. Er warf einen Seitenblick zu seinem über zwei Meter gro?en Partner. Mit seinem Footballer-Kreuz war es eigentlich unm?glich, unauff?llig zu sein. Und immer dieses Bedürfnis, seine Herkuleskraft unter Beweis zu stellen. Und jetzt war es passiert. Er war sein eigener Onkel geworden, um den jungen Hüpfern zu erkl?ren, wie der Hase l?uft.
Er schüttelte fast unmerklich den Kopf. Ihm w?re diese Bewegung aufgefallen, doch Mike starrte weiter missmutig in die Landschaft und fluchte vor sich hin. Dann sah er ebenfalls eine Bewegung.
Sie standen im Schatten eines zweist?ckigen Hauses, das an einer Stra?e lag, deren komplette Asphaltdecke mit Sand bedeckt war. Ein Teil von Kirk fragte sich, ob die Stra?e überhaupt jemals asphaltiert gewesen war. In etwa fünfhundert Metern Entfernung lag ein kleiner Platz, dort stand ein ausgetrockneter rechteckiger Brunnen, ein paar Sitzb?nke und Pflanzt?pfe für Palmen. Der Platz war ges?umt von einem geschlossenen Kiosk, zwei geschlossenen Cafés und einem geschlossenen Kleidergesch?ft.
Ein Mann in knallig gelber Weste hatte den Platz soeben betreten.
?Das ist er.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, ging Kirk los. Zielstrebig, aber nicht hektisch. Mit minimalen Kopfbewegungen stellte er sicher, dass die Stra?e leer war und niemand aus den Fenstern der H?user sp?hte.
Er spürte die Pr?senz von Mike, der ihm in einigem Abstand folgte. Aus dem Augenwinkel sah er, dass der die Hand an seine verdeckt getragene Glock gelegt hatte. Er rollte die Augen, machte eine mentale Notiz, ihm dafür sp?ter den Kopf zu waschen, fokussierte sich jetzt aber auf die Aufgabe.
Als ihn noch 400 Meter vom Platz trennten, sah der Mann sie. Er schaute sich hektisch um, dann verschwand er im Schatten des Vordachs eines der Cafés.
Kirk fluchte innerlich. Was sollte das denn? Er ging weiter.
Noch 200 Meter.
Sein Darm zog sich kurz zusammen. Dieses Bauchgefühl, von dem alle immer sprachen, ?u?erte sich bei ihm in Zuckungen seines hinteren Verdauungstraktes. Er verlangsamte seinen Schritt. Jetzt tastete auch seine Hand unwillkürlich nach der Waffe. Mike überholte ihn mit auslandeden Schritten und bog um die Ecke zum Platz.
?Heilige Schei?e!“, h?rte Kirk ihn rufen. Er zog die Halbautomatik, legte einen kurzen Sprint ein, krachte mit dem Rücken gegen die Hauswand und sah vorsichtig um die Ecke. Am hinteren Ende des Platzes hatte jemand einen provisorischen Galgen an einem der H?user befestigt. Daran hing Omar, ihr Kontakt.
Das ist kein gutes Zeichen, befand Kirks Instinkt.
?Los, hierher. Wir müssen verschwinden“, zischte er. W?hrenddessen wanderten seine Augen den Platz entlang, verweilten in Fenstern, auf D?chern und an H?userecken. An einem Dach blieb sein Blick h?ngen. Eine charakteristische Struktur ragte über die Brüstung des Flachdachs hinaus. Sie sah aus wie der Lauf eines Sturmgewehrs.
?Rennt!“, brüllte er, sowohl Mike als auch ihre Zielperson meinend. Eine riesige Pranke packte den Mann in gelber Weste an der Schulter und zog ihn hinter sich her, w?hrend die andere eine Glock zog und auf Kirk zu rannte. Soviel Geistesgegenwart hatte er Mike gar nicht zugetraut. Vielleicht dachten die Jungs im Recruiting sich doch etwas bei ihrer Auswahl.
Gleichzeitig wuchs der Lauf des Gewehrs wie ein t?dlicher Baum, bis das ganze Gewehr, gehalten von den H?nden eines vermummten Mannes, hinter der Brüstung zu erkennen war. Um es herum erhob sich ein Wald von Gewehren. Kirk wartete nicht ab, was als n?chstes passieren würde, sondern rannte los, die Stra?e hinab. Er vernahm das Ger?usch von überschallmunition, die um ihn herum in die Stra?e und Fassaden einschlug, dicht gefolgt von dem Mündungsknall, der sie in Bewegung versetzt hatte. Splitter von Sandstein spritzten ihm ins Gesicht, als eine Kugel besonders nah neben ihm einschlug. Der rationale Teil seines Gehirns wusste, dass es nicht m?glich war, vor automatischen Gewehren wegzurennen. Dass er noch stand, grenzte an ein Wunder.
?Rechts“, brüllte er, dann bog er in eine winzige Gasse zwischen zwei H?usern ein. Wegen seines Schwungs knallte er gegen die Hauswand, seine linke Schulter begann zu schmerzen. Im Adrenalinrausch vermittelte ihm das sein K?rper jedoch eher als Wartungshinweis, wissend, dass er heute Nacht ohne Schmerzmittel nicht schlafen k?nnen würde, jetzt aber einfach weitermachte. Wenn er noch die Gelegenheit h?tte, sein Bett wiederzusehen.
Hinter sich h?rte er die charakteristischen Schritte von Mike, lang und schwer, zusammen mit dem wimmernden Keuchen ihrer Zielperson, die halb rannte und halb mitgeschleift wurde.
Kirk warf einen kurzen Blick zurück. Daraus, wie weit die Kugeln in die Wand links neben ihm schlugen, konnte er ungef?hr absch?tzen, welche Strecke ihre Verfolger noch zum Eingang der Gasse zurücklegen mussten. Es war weniger, als ihm lieb war.
Als sein Unterbewusstsein rechts neben ihm eine Tür erkannte, die blo? angelehnt war, reagierte er instinktiv. Er bremste ab, hielt sich am Rahmen fest und stie? die Tür auf.
Mit Waffe und Augen immer in die gleiche Richtung zielend suchte er den Raum ab. Er fand ihn leer. Hinter ihm keuchte ihre Zielperson, Mike atmete so ruhig wie nach einem Mittagsschlaf, seine Waffe zeigte unbeirrt auf die Tür?ffnung, durch die sei hereingestürmt waren.
Verdammtes Alter. Niemand solle ?lter als 27 werden müssen.
Zielstrebig ging Kirk weiter, in einen dunklen Flur. Links erkannte er einen weiteren Raum, rechts endete der Flur in einer Wand, von der eine Tür abging, und einer Treppe. So leise er vermochte, stieg er die Treppe hinauf. Auch oben war das Haus leer. Routiniert stie? er jede Tür auf, die vom Gang wegführte und stellte sicher, dass das Zimmer dahinter leer war. Als er das Ende erreicht hatte, lie? er die Waffe sinken und atmete durch.
?Wir k?nnen hier warten, bis sie verschwunden sind.“
?Und wenn sie alle H?user durchsuchen?“
?Dann sind wir angeschissen, k?nnen uns aber noch unter dem Bett verstecken.“ Er wandte sich an ihre Zielperson, die kreidebleich schlotternd in der Pranke von Mike hing. Kirk fragte sich, ob er zusammenklappen würde wie ein Haufen Lumpen, sobald der ihn loslie?e. Dann erkundigte er sich auf arabisch bei dem Mann, was passiert sei. Als Antwort starrte er ihn aus gro?en Augen an. Kirk wiederholte seine Frage auf Farsi, dann auf Paschto. Langsam gingen ihm die Sprachen aus. Ihre Zielperson blinzelte. Dann antwortete er auf Englisch.
?Sie haben das Haus gestürmt, in dem Omar mich versteckt hat. Ich wei? nicht, woher sie davon wussten. Sie haben uns getrennt und mich gezwungen, zum Treffen zu kommen. Bitte, ich wollte es ihnen nicht verraten, aber sie haben mich gezwungen.“
?Ja, aber jetzt müssen wir sehen, wie wir hier rauskommen.“
Von drau?en drangen ged?mpft Rufe und Schritte. Sie kamen die Gasse entlang. Vor Kirks Augen blitzte ein Bild. Sie, zu dritt ihm Wohnzimmer, in der einen Hand von Mike eine Waffe, in der anderen der zitternde Mann. Keine Hand, um die Tür zu schlie?en. Schei?e.
?Wir müssen weg, schnell!“, zischte er. So leise er konnte, lief er zu einem Zimmer, das ein Fenster Richtung Gasse hatte. Von unten h?rte man das Flüstern und Schleichen von Menschen, die darin nicht besonders erfahren sind. Immerhin kapierte Mike schnell, denn er fragte nicht, sondern zog den Mann hinter Kirk her.
Der ?ffnete das Fenster und stieg vorsichtig auf das Vordach. Die Gasse unter ihnen, durch die sie hergekommen waren, war nur etwa zwei Meter breit, die D?cher waren sogar nur gesch?tzte einszwanzig voneinander entfernt. Er nahm einen kurzen Anlauf, dann sprang er. Mike schubste ihre Zielperson über den Spalt, dann sprang er selbst, aus dem Stand.
Von unten h?rten sie Schreie, dann polterten Schritte die Treppe hinauf und mehr Schreie erklangen aus dem Zimmer hinter ihnen. Den Schreien folgten Schüsse und sie rannten, so schnell sie konnten, ein paar D?cher lang, dann sprang Mike auf der der Gasse abgewandten Seite auf eine Art kleinen Balkon. Er schlug die Scheibe mit dem Knauf seiner Waffe ein, ?ffnete die Tür und sprang hinein.
Das Haus war ?hnlich aufgebaut. Ohne Z?gern lief er die Treppe hinunter und durch die Haustür. Die Stra?e war menschenleer. Er rannte los, Mike dicht auf den Fersen, die Zielperson halb ziehend, halb schleifend. Sie überquerten eine breite Stra?e, liefen weiter, bis sie wieder eine Gasse fanden. Kirk rüttelte an jeder Türklinke. Die dritte lie? sich bewegen. Er ?ffnete, sicherte das Erdgeschoss, dann das Obergeschoss. Ihre Zielperson war, von Mike losgelassen, tats?chlich in sich zusammengesunken und starrte auf den Boden.
Kirk kramte in seinem Rucksack. Er holte ein Ger?t hervor, das aussah, wie das Schlie?blech einer Tür, an dem eine Metallplatte angebracht war. Es gab Kn?pfe, Kabel und einen Display. Er drückte darauf herum, w?hrend Mike den leeren Flur im Blick hatte.
?Was ist das für’n Schei??“, zischte er.
?Freundliche Grü?e von den Jungs aus der Technik. Prototyp, nur im Notfall einzusetzen, aber ich denke, das k?nnen wir durchgehen lassen.“ Er hatte fertig getippt, setzte das Ger?t nun in eine Tür ein, zog sie zu, drückte einen Knopf und ?ffnete sie dann.
?Los, geh hierdurch. Wir bringen dich in Sicherheit“, forderte er den Haufen Kleider auf dem Boden auf. Der starrte ihn mit glasigen Augen an. Erst als Mike nachhalf, kam er auf die Beine. Z?gerlich n?herte er sich der Tür, in deren Rahmen unver?ndert aussah. Er trat hindurch. Dabei verschwand jedes K?rperteil, das den Rahmen durchdrang; zuerst seine Arme, dann sein Kopf und Oberk?rper. Dann h?rte er auf, sich weiterzubewegen. Sein hinteres Bein zuckte und zappelte. Es sah aus, als stecke er fest.
?Schei?e!“ Kirk drückte einen anderen Knopf. Das Bein fiel, zusammen mit einem Stück Hüfte, zu Boden.
?Was zum Fick?“, fluchte Mike und machte einen Satz nach hinten.
?Die Jungs haben gemeint, es h?tte noch den einen oder anderen Kink.“
?Kink? Kink? Haben die Lack gesoffen?“
?Beruhige dich, es ist noch ein Prototyp. Und sieh das Positive.“
?Welches Positive? Dass wir gleich von irgendwelchen Fundamentalisten abgeknallt werden?“
?Wir sind nicht durchgegangen und wir stehen nicht am lauten Ende.“ Mit seinem Fu? schob er das Bein in das Zimmer hinein, dann schloss er die Tür, packte das Ger?t ein und lief die Treppe hinunter.
?Das laute...“ Mike brauchte ein bisschen, dann Begriff er. Es schauderte ihn. Dann folgte er Kirk.