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Die Geister der McClaines: Um etwas zu verzaubern

  Seit dem Zusammenbruch der alten Welt, gab es zwei M?glichkeiten, einen Ort zu verzaubern. Beide hingen mit dem Sch?pfungsgeist des Menschen zusammen. Haben die Menschen früher ihren Geist genutzt, um anschlie?end zusammen mit ihrem K?rper ihre Umwelt zu ver?ndern, hatte nun ihr Geist die Macht erlangt, ganz allein auf die Umwelt Einfluss zu nehmen. Insbesondere in den ersten Jahren des Zusammenbruchs, war er die Triebkraft, welche die alten Zivilisationen ausgel?scht hat. Es hat Jahre gedauert, bis die Menschen gelernt haben ihre Macht zu kontrollieren und noch einmal zwei Jahrzehnte, bis durch Blue Moon die Welt und die Sch?pfungsf?higkeit des Geistes stabilisiert und eingeschr?nkt werden konnten. Seit dem gab es keine pl?tzliche Erschaffung von Monstern, weil Kinder von diesen getr?umt haben, keine real gewordenen Plagen oder Pandemien, weil die Angst vor diesen die überhand genommen hatte, keine pl?tzlich fliegenden Menschen, Geb?ude oder Landstücke, weil ein Mensch sich dies vorgestellt hatte. Somit auch kein Chaos und kaum noch unkontrollierte Magie. Der K?rper war wieder notwendig geworden, um Zauber zu wirken, welche mehr und mehr zum Werkzeug wurden, welche die Menschen für sich entdeckten, indem sie Gegenst?nde herstellten, welche ihnen beim Handwerk halfen oder Segen sprachen, um zu Schützen und zu Pflegen oder Flüche webten, welche Gegenstand und Menschen in das alte Chaos treiben konnten, welcher in den ersten Jahren des Zusammenbruches geherrscht hat. Dies war die erste M?glichkeit, um einen Ort zu verzaubern. Einen Fluch zu weben und ihn über eine lange Zeit hinweg unversiegelt wüten lassen, sodass er genug Energie gesammelt hat und mit der Psyche der Menschen zu spielen, ihre ?ngste gegen sie einsetzten, um dem Ort ein immerw?hrendes Bild zu geben, welches durch viele Geister geteilt und so gefestigt wurde, bis die Identit?t des Ortes unangefochten war.

  Das Geisterhaus der McClaines und deren verfluchte Familie, dachte Etienne. Das war auf dem besten Weg dorthin, die Identit?t dieses Ortes zu werden, denn die Gerüchte, die sie über Meta und Gilgian und Metas Vater geh?rt hatte, waren bereits voll und ganz dabei, sich immerw?hrend in den K?pfen der Menschen einzuspeichern. Sie würden die Geschichten weitergeben an ihre Kinder, an die n?chsten Generationen, welche es als Erz?hlung behalten würden und so die Identit?t n?hren und festigen.

  Aber auch die zweite M?glichkeit, einen Ort zu verzaubern, schien hier nicht ganz unbeteiligt zu sein.

  Nur ein Mensch mit einer besonders starken Bindung zu einem Punkt würde an diesen gebunden werden. Dieser Punkt k?nnte ein Raum sein, ein Haus, eine Mine, ein Wald. Die Bindung kann zu Lebenszeiten geschehen, aber viel wahrscheinlicher erst nach ihrem Tod, wenn ihre Gefühle zurückblieben und ihr Echo, welches in allem widerhallte, mit dem sie zu tun hatten. Dies entschied auch, wie genau sie gebunden waren. Die W?chter im Chateau de la Fortune waren wahrscheinlich einst Menschen gewesen, getrieben von einer Aufgabe. Nun konnten sie die Wesen kontrollieren, welche das Chateau für sie beschützen. Was genau deren Aufgabe sein k?nnte, wusste Etienne nicht und es interessierte sie auch nicht, denn sie würde dorthin nicht zurückkehren.

  Anders jedoch bei diesem Haus, in welchem sie sich noch befand. Metas Vater schien so besessen von seiner Sammlung gewesen zu sein, dass bereits zu seinen Lebenszeiten sich viele seiner Gefühle und Obsessionen magisch manifestiert hatten. Seit dem Zusammenbruch der alten Welt war dies bei Weitem kein Einzellfall. Es gab viele Ph?nomene, welche sich auf die starken Gefühle der Menschen zurückführen lie?en, welche ihr Geist aufgegriffen und gelebt hat.

  Etienne hob ihre H?nde und sagte an den Geist gewandt, ?Sicherlich k?nnen wir eine friedliche L?sung finden?“

  Der Geist sah mit seinen leeren Augen zu ihr. Sie spürte seine Wut, seinen Hass, seine Obsession. Es verschlug ihr den Atem. Nichts davon ging jedoch von der Gestalt aus. Es waren Gefühle, welche durch den kurzen Bruch der Grenzen allgegenw?rtig waren.

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  Er sprach zu ihr, in einer abgehackten Stimme. Es war offensichtlich, dass er Schwierigkeiten hatte, sie zu kontrollieren. Das, und seine Probleme, seine Erscheinung unter Kontrolle zu halten, deuteten darauf, dass er noch kein alter Geist sein konnte. Wahrscheinlich hatte er noch nie richtig in die erste Ebene gewechselt.

  Das macht die Sache schon mal leichter, als bei den W?chtern, dachte sie.

  ?Du hast keine Erlaubnis, hier zu sein.“

  ?Ich stimme dir voll und ganz zu“, sagte Etienne, ?Deswegen werden wir jetzt gehen.“

  ?Du hast mir etwas weggenommen“, sagte er.

  ?Ich kann dir als Gegenleistung etwas anderes anbieten.“

  Sie holte ihren Talisman hervor. Es würde sie schmerzen, ihn zu verlieren, aber sie w?re bereit, ihn herzugeben. ?Ich habe hier einen Gegenstand, der alles in Gold verwandeln kann, was er berührt“, log sie.

  Sie berührte eine alte Statue eines Mannes, welcher mit einem mit Verzweiflung verzerrten Gesicht auf den Knien sa? und die H?nde abwehrend vor sich gehoben hatte. Die blasse graue Farbe des Steines verwandelte sich in ein leuchtendes Gold. Es fiel Etienne nicht schwer, sich Gold vorzustellen. Sie hatte genug Referenzen im Raum.

  Er sah zu ihrem Talisman, sie spürte seine Aufmerksamkeit an ihren Fingern. Etienne hoffte, dass er ihr Gespr?ch mit Meta über den Stein nicht allzu intensiv gelauscht hatte. Er schien zu wissen, dass Meta das Haus hatte verlassen wollen und Etienne vermutete, dass die Angriffe aus dem Grund gestartet hatten. Aber so schlecht wie er sich in der ersten Ebene manifestierte, vermutete Etienne auch, dass er nicht so gut in ihre Welt reinlauschen konnte. Es musste genug sein, dass er sich zusammengereimt hatte, dass Meta gehen wollte, aber hoffentlich nicht genug, um all ihre Gespr?che vernünftig rekonstruieren zu k?nnen.

  Seine Augen wanderten zu der Statue. Etienne spürte die Gier ihre Haut hinaufkriechen und bekam selbst das Verlangen, alles zu behalten, was in diesem Zimmer zu finden war. Aber vor allem ihren Talisman. Was sie ihm pr?sentiert hatte, war ein seltenes Artefakt, welches schon allein deswegen für einen Sammler wie ihn interessant w?re. Dazu kam die F?higkeit, über die Etienne gelogen hatte. Wenn sie aber so aus dem Haus herauskommen k?nnten, würde sie das in Kauf nehmen. Sie würde sich jedoch eine andere Lichtquelle für künftige Ausflüge besorgen müssen.

  Die zwei dunklen L?cher seiner Augen wanderten zu ihr. Er schob seine Brille zurecht, eine skurrile Geste, welche nicht zum Bild passte. Sie spürte seine Aufmerksamkeit und dann wanderte sie davon.

  ?Mein kleines M?dchen“, h?rte sie ihn einen Moment sp?ter sagen, ?Du siehst mehr und mehr aus, wie deine Mutter. Ich bin so froh, dass du so sehr nach ihr kommst. So glücklich.“

  Etienne trat vor Meta und r?usperte sich laut. Seine Aufmerksamkeit wanderte erneut zu ihr und sie sagte laut, ?Ich bin mir sicher, wir wissen beide, dass du mir nicht viel anhaben kannst. Ein Angebot wie dieses kommt nicht noch einmal.“

  Seine Worte gegenüber Meta gefielen Etienne nicht. Seine Aufmerksamkeit war überall. Auf ihr, auf Meta, auf den Gegenst?nden um sie herum. Sie musste dafür sorgen, dass sie nicht weiter auf Meta landete.

  Er l?chelte, ?Ich w?re bereit es für den Stein zu tauschen. Dieses alte Ding hat mir nichts als ?rger bereitet, seit ich es zusammen mit den anderen erhalten hatte.“

  ?Und für einen sicheren Ausgang aus der Villa“, fügte Etienne hinzu und merkte sich, dass er derjenige war, der die Steine von Expulsion in diese Stadt geholt hatte.

  ?Das ist mir zu teuer“, erwiderte er langgezogen. Erneut verschwand seine Aufmerksamkeit. Nostalgie berührte sie. Das machte Etienne nerv?s. Er war eindeutig possessiv über seine Sammlung. War aber bereit, den Stein durch einen anderen auszutauschen. Wahrscheinlich h?tte er sie auf dem Rückweg angegriffen, um beides behalten zu k?nnen, so h?tte er seine Abmachung nicht gebrochen. Das war nichts, was sie nicht erwartet hatte. Sie h?tte nur weiter versuchen sollen ihn davon zu überzeugen, dass ihr Talisman es wert war. Doch sein stetiger Blick zu Meta gab ihr das Gefühl, dass er nicht durch einen einfachen Vertrag mit ihr bereit w?re. Er schien etwas anderes zu wollen. Vielleicht war einfach froh, seine Tochter wiederzusehen, doch Etienne zweifelte daran.

  ?Ich kann dir versichern, dass es nicht zu teuer ist“, sagte sie zu ihm und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf sich, ?Es hat einen sentimentalen Wert für mich. Mich davon loszul?sen ist so, so schmerzhaft.“

  ?Wieso sollte mich deine Gefühle interessieren?“

  ?Ich habe hart für diesen Talisman gek?mpft“, sagte sie zu ihm, ?Sein Wert ist auch durch meine Mühe bestimmt, ihn zu erlangen. Ich habe ihn als Belohnung bekommen und mich gegen alle Anderen durchgesetzt. Diese Geschichte wirst du mit ihm bekommen.“

  Er sah wieder zu dem hell leuchtenden Ball in ihrer Hand. Geschichten hatten immer eine anziehende Wirkung auf Geister. Sie waren gebunden an einen Ort und sehnten sich nach Geschichten, weil sie nicht mehr viel erleben konnten. Und dieser hier war wahrscheinlich über eine lange Zeit isoliert gewesen. Er würde danach brennen, Geschichten zu h?ren. Er musste es. Für Geister war sentimentaler Wert auch ein Wert.

  Mit einem unangenehmen Gefühl im Magen rührte sie sich nicht, als sein Geist durch seine Neugierde getrieben sie von oben bis unten antastete, sie musterte und einzusch?tzen versuchte. Dann spürte sie ihn erneut in ihrer Hand, ihren geliebten Talisman mustern, den einzigen wahrhaftigen Besitz, den sie neben ihrer geliebten Jacke hatte, und Etienne spürte wieder die Gier. Er z?gerte immer noch, sah sie z?gernd an, ?Ich werde dich mit dem Stein gehen lassen.“

  Etiennes Herz pochte, ?Wir sind zu zweit. Du musst uns beide hier herauslassen.“

  ?Der Schatten meiner Frau wird bei mir bleiben“, sagte er dann und Etienne spürte ihr Herz hinunterrutschen. Sie fragte sich, ob sie mit Catjills Hilfe sicher rauskommen k?nnten. Vielleicht w?re dies machbar. Die Puppen hatten nur sie angegriffen, nicht Meta. Dies k?nnte sich aber vielleicht ?ndern, wenn Meta versuchen würde, das Haus zu verlassen. Würde er es riskieren, sie zu verletzen? Sie verwarf den Gedanken. Es gab genug M?glichkeiten jemandem zu schaden, ohne ihn zu verletzen.

  ?Das geht nicht“, sagte Etienne. Sie hatte Meta unnachgiebig hier reingezogen, sie würde sie nicht hier drin sitzen lassen.

  Tatendrang, Geh?ssigkeit und Gier schwappten über ihren K?rper. ?Dann scheint es, als würden wir keine Abmachung bekommen.“

  ?Bist du sicher, dass das zu deinen Gunsten verlaufen wird?“, fragte Etienne, ?Ich wei?, wie ich deinen Zugriff auf die verfluchten Gegenst?nde unterbinden kann. Wenn wir hier herauskommen, was wir werden, dann wirst du mit nichts dastehen. Keinem Stein, keinem Talisman und keiner Geschichte.“

  Ein tiefes Knurren entfaltete sich in ihrer Brust und sie wusste, es kam nicht von ihr. Etienne fragte sich, ob Meta es auch spürte. Oder ob ihre Resistenz gegenüber Magie sogar so weit ging, dass ihr das Ganze hier gar nichts anhaben konnte. Vielleicht konnten sie es nutzen, um von hier zu verschwinden. Etienne biss sich auf die Lippe. Besser w?re es jedoch, ihn zu vernichten. Es schien erst einige Jahre her zu sein, dass er hier spukte. Weitere Jahre und er würde st?rker werden, erst recht, wenn halbstarke Jugendliche sich hierhin verlaufen würden und ihre Erlebnisse nach Au?en tragen würden. Die Geschichte um das Haus würde noch mehr gen?hrt werden und ihm so noch mehr Macht zukommen.

  ?Wollen wir dann mal schauen, wie weit du kommst?“, h?rte sie den Hauch seiner Gedanken und unterdrückte einen frustrierten Seufzer. Mit Ausnahme ihres Djinns, hatte sie es wirklich noch nie geschafften, jemanden in einer Verhandlung zu überzeugen.

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