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Der erste Tag in Calisteo: Der Bücherturm

  ?Wohin gehen wir jetzt?“, fragte sie unzufrieden ihre Tante.

  ?Wir besorgen dir die Bücher. Und ich habe dir ein Termin für einen Test organisiert. Der Direktor wird dich beaufsichtigen, sobald wir da sind. Das wird das Ganze etwas beschleunigen. Ich werde ihn vielleicht etwas bedrohen müssen, aber er wird dich schon morgen hereinlassen.“

  Etienne seufzte, ?Du steckst viel Mühe rein, mich in diese Schule zu bekommen. Was, wenn ich komplett versage?“

  Sie sah wie Tatinne unter ihrer Kapuze grinste, ?Raffael ist in der obersten Klasse. Ich bin sicher, desto n?her du ihm bist, desto n?her bist du deinem Ziel. Dementsprechend, solltest du sehr gut abschneiden, damit du auch dorthin kommst, nicht?“

  Sie entgegne ihr Grinsen, ?Das w?re nicht notwendig. Ich k?nnte auch einbrechen und herausfinden, wo er den Stein versteckt.“

  ?Das wird sich als nicht so einfach herausstellen“, wandte Tatinne ein, “Immerhin bist du gestern Nacht vor meiner Tür aufgetaucht, eben weil genau das nicht funktioniert hat.“

  Etienne ignorierte den Einwand, ?Meine Pl?ne haben sich sowieso soeben etwas ge?ndert. Und keine Sorge, ich wei? wie viel dir Prestige bedeutet. Für dich werde ich die beste Punktzahl herausholen.“

  Tatinnes L?cheln verpuffte und sie erwiderte, ?Es geht mir hier nicht um Prestige.“

  Etienne bedachte sie vorsichtig. Worum ging es ihr dann? Sie zweifelte es an, dass Tatinne solch ein Unterfangen anstellen würde, nur um ihr mit dem Stein zu helfen. Da gab es andere M?glichkeiten ran zu kommen.

  Sie betraten nach mehreren Stra?en ein sehr hohes Geb?ude. Es war ein Bücherladen. Er war vom Umfang her klein, jedoch ragte er so weit nach oben, dass Etienne sich sicher war, es müsste mal ein Aussichtsturm gewesen sein. Es war erst einige Jahrzehnte her, seit die Papierindustrie neu aufgebaut wurde und der Buchdruck in Gang kam. Damals gab es noch keinen Grund, Büchereien zu bauen. Also wurden alte, ungenutzte Geb?ude umgestaltet.

  Etienne konnte die Menge an Stockwerken nicht absch?tzen, bewunderte aber die Menge an Regalen, welche voll gefüllt waren. Calisteo schien hier aufgestockt zu haben. Zu ihrer Rechten verlief direkt eine Treppe zur n?chsten Ebene, welche um die Ecke in einer n?chsten Treppe mündete, welche in die n?chste Ebene führte und so verlief es bis nach ganz oben.

  ?Das ist dein Regal“, sagte Tatinne. Etienne blickte zu ihrer Tante und entdeckte sie neben einem Regal voller Schulbücher. Als sie genauer hinblickte, stellte sie fest, dass das ganze erste Stockwerk allein, Schulbüchern gewidmet war. Sie verzog das Gesicht, ?Ist das nicht eine ziemliche Papierverschwendung?“

  ?Erik!“, rief Tatinne in den Laden hinein. Ein junger Mann mit Brille und viel zu gro?er Kleidung stolperte zu ihnen herüber. Die Brille rutschte ihm die Nase herunter, ?Tatinne! Wie sch?n, dich wiederzusehen! Bestimmt bist du hier wegen der neuen Bücher, welche wir aus Vheruna neu eingeliefert bekommen haben. Eins ist dabei, welches erst kürzlich aus einer Stadt der alten Welt erbeutet wurde und mittlerweile gehen viele Kopien herum. Nicht zuletzt, konnte ich mir eine besorgen. Ich habe sie extra für dich noch nicht zum Verkauf ausgestellt. Willst du es dir anschauen?“

  ?Normalerweise jederzeit, Erik. Aber heute leider nicht. Ich bin wegen meiner Nichte hier. Ich brauche Bücher. Für unsere herzallerliebste gehobene Schule. Alle, die das Kind hier braucht.“

  Die warmen Augen hinter den leicht getrübten, alten Gl?sern wanderten überrascht zu ihr. Dann strahlte er sie an, ?Was gibt es Erfüllenderes, als mit jedem Buch eine neue kleine Welt, voller K?nnen zu offenbaren? Selbstverst?ndlich, so viele du willst! Soll ich sie dir nach Hause zuschicken?“

  ?Nicht n?tig, wir nehmen sie direkt mit.“

  Erik sah mit erhobenen Augenbrauen zu den zwei Frauen, ?Das wird schwer. Aber das wundert mich nicht, du wolltest dir noch nie Bücher zuschicken lassen.“

  If you stumble upon this tale on Amazon, it's taken without the author's consent. Report it.

  Dann fing er an, die Bücher zusammenzutragen und Etienne blinzelte verwirrt über die Menge. ?Du machst Witze“, meinte sie zu Tatinne, ?Erwartest du von mir wirklich, dass ich all das trage?“

  Tatinne sah auf den Stapel und hob die Braue, ?Ich wüsste nicht, wo das Problem liegt. Wenn du das alles in deinem Kopf h?ttest, w?re es sicherlich leichter zu tragen.“

  Etienne verdrehte die Augen, ?Ich dachte, es ginge dir darum, mir ein gutes Schulerlebnis zu bescheren.“

  ?Das wirst du haben, wenn du dich anstrengst.“

  Etienne unterdrückte ein Seufzen und überlegte sich, ob sie die kommende Scharade einer braven Schülerin wirklich in Angriff nehmen wollte. Catjill lenkte sie von ihren Gedanken jedoch ab, als er sich ungeschickt auf ihrer Schulter bewegte.

  ?Vorsicht mit den Krallen“, murmelte sie warnend, als sie erneut spürte, wie er diese in ihre Jacke stach. Sie liebte ihre Jacke. Sie war ein Zeichen von Etiennes harter Arbeit und Unabh?ngigkeit und bot ihr ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Und seit sie ihren Djinn erhalten hatte, schien dieser stetig ihre Jacke zu bedrohen.

  Dann nahm er jedoch ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, als sie feststellte, dass er sehr gezielt um sich sah, bis sein Blick sich auf die Eingangstür fokussierte. Etienne h?rte Menschen drau?en reden, einige Stimmen stachen besonders heraus, wahrscheinlich weil sie sich genau vor der Tür befanden. Catjills Ohren zuckten, w?hrend er sich zu konzentrieren schien und Etienne merkte, wie er eine Spur aufnahm. Sein Schwanz zuckte und dann sagte er anschlie?end, ?Die haben auch eine Verbindung zu einem Stein. Aber… nicht so eindeutig wie dieser wandernde Geist von vorhin.“

  Die Menschen betraten den Raum und Etienne be?ugte sie kurz. Sie trat zur Seite, um sie nach vorne durchzulassen, wo Tatinne am Tresen noch die Bücher durchschaute. Es handelte sich um zwei junge M?nner und eine junge Frau. Sie waren alle vornehm gekleidet, hatten Blazer, schicke Hosen und Schuhe an. Die junge Frau war gekleidet in einer langen schwarzen Stoffhose, welche in einer schwarzen Bluse endete. Ihre kurzen Haare waren ebenfalls schwarz und verliehen ihr mit einem kurzen Schnitt eine sanfte Eleganz, welche nicht zu aufdringlich aber unterschwellig zu spüren war. Doch mit Ausnahme der kalten Atmosph?re, welche sie mit sich in den warmen Bücherladen hineinbrachten, schienen sie kaum andere Gefühle auszustrahlen. Au?er dem junge Mann in deren Mitte.

  Sie unterhielten sich weiterhin leise und einer von ihnen sah sich Etienne kurz von oben bis unten an. Sie l?chelte seinem wachsamen Blick entgegen und er drehte sich dann um. Wahrscheinlich hat er sie als ungef?hrlich eingestuft. Sie sahen sich auch Tatinne an, jedoch schienen bei der Beobachtung das Gespr?ch kurz innezuhalten. Etienne beobachtete sie, wie sie ein paar Worte austauschten und kam zur Schlussfolgerung, dass sie Tatinne als die Person erkannten, die sie war. Tatinne sah kurz zu ihnen, grü?te sie mit einem Nicken und sah dann zu Etienne, ?Nimm sie alle mit und folge mir.“

  Etienne beeilte sich, unter den erneut wachsamen Blicken der drei Menschen, die Bücher zu nehmen und ging hinaus. Sie würde sp?ter herausfinden, wer sie waren. Unabh?ngig Tatinnes Mühen sie heute in die Schule zu bringen, hatte sie zumindest zwei sehr gute Hinweise auf die restlichen zwei Steine bekommen. Raffael würde sie sich als letztes vornehmen und bis dahin würde sie daran arbeiten, sich Bedingungen für eine M?glichkeit zu schaffen, ihn zu bekommen.

  Etienne war hocherfreut über den Djinn. Es hatte etwas gedauert, bis er ihr den Hinweis auf den ersten Stein gegeben hatte. Doch nun schien das Glück auf ihrer Seite zu sein. Durch ihren Vertrag war er dazu verpflichtet, sie zu den Steinen zu führen. Er musste nur eine Spur finden und seine Magie erlaubte ihm genau das. Es lag an ihr, die Indizien zusammenzutragen. Sein gro?spuriges Versprechen, schnell an die Austreibungsreliquien heranzukommen, schien er zu halten.

  ?So, wir haben alles besorgt, bis auf die Schuhe. Um diese kann ich mich sp?ter kümmern“, sagte Tatinne. Sie schien mehr zu sich selbst zu sprechen, als zu Etienne, als würde sie gedanklich eine Liste abhaken.

  Etienne hob den Kopf und versuchte über den Rand der Bücher zu blicken. Sie war nicht sonderlich erfolgreich, ?Wohin gehen wir?“

  Sie stolperte und wurde angerempelt, wofür sich der nette Mann gleich wieder entschuldigte. Etienne nickte ihm freundlich zu und sah sich nach ihrer Tante um.

  ?Tatinne?“

  Sie hielt inne und bemerkte entsetzt, dass sie diese nicht mehr sah. Stattdessen kreuzte eine Menge Menschen ihren Weg, wichen ihr mit einem genervten Blick aus und versperrten ihr die Sicht.

  ?Oh, so ein Mist“, murmelte sie. Sie ging zu einem der H?user und legte die Bücher auf eine kleine Treppe. Dann streckte sie sich und blickte sich noch einmal um, in der Hoffnung Tatinne noch zu erblicken.

  Der Djinn seufzte, ?Genauso verloren, wie im Chateau.“

  ?Du hast mich in den Gang hineingeschickt“, erinnerte sie ihn.

  ?Du bist falsch abgebogen“, sagte er und machte ihr dann ein Angebot, ?Soll ich dir dabei helfen, sie wiederzufinden? Es wird nur ein kleiner Preis sein.“

  Sie streichelte ihn hinter dem Ohr. Er war müde, erst recht nach dem letzten Tag. Catjill war noch jung. Es bereitete ihm keine Probleme, seine Magie einzusetzen, aber er übertrieb es und war danach meistens wieder ersch?pft.

  ?Leg dich wieder schlafen“, sagte sie zu ihm, ?Ich brauche dich morgen mit voller Energie.“

  Er brummte unzufrieden. Tat dann, wie sie ihm gesagt hatte.

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