?Ah, sehe sie dir an. Unsere herzallerliebsten Schauspieler trudeln langsam ein“, pfiff Mirtin in die Runde, welche ebenfalls die einstr?mende Menge bemerkt hatte, ?Ich hab noch ein W?rtchen mit diesen zu sprechen. Sei so lieb, Etienne, und warte hier, bis Elias dich abholt.“
Sie schwebte davon und als Scarlett und einige andere sie erblickten, war Etienne sich sicher, dass deren Gesichter keine Freude zeigten. Was sie jedoch auch beobachtete, war, dass es sich haupts?chlich um Mitglieder aus Raffaels Provinz handelte, welche nicht erfreut schienen.
?Glück gehabt“, sagte Raffael leise zu ihr. Er l?chelte noch immer. Ihm schien dieser Rückschlag nichts auszumachen.
?Das war kein Glück. Dein Versuch war furchtbar“, erwiderte sie.
?Ich glaube nicht“, sagte er leicht lachend, ?Das war bestimmt nicht leicht für dich, dich ins Klavierspielen zu retten.“
Sie hasste es, dass er das verstanden hatte.
?Ich habe geh?rt, du und Elias versteht euch blendend“, versuchte sie die Kontrolle über das Gespr?ch an sich zu rei?en. Etienne würde sich von ihm nicht in die Verteidigungsposition dr?ngen lassen. Sie wusste bereits, wie das enden würde.
Sein L?cheln erlosch und er sah sie forschend an, ?Und woher hast du das?“
?Das werde ich dir selbstverst?ndlich nicht verraten“, sagte sie.
Er schnaubte und das L?cheln kehrte wieder auf sein Gesicht zurück, ?Das macht nichts. Ich habe mir noch nicht wirklich Mühe gegeben. Aber du musstest bereits etwas Gutes liefern, um das abzuwehren. Der Tag ist noch lang und ich kann es kaum erwarten zu sehen, an welchen Ressourcen du dich bedienen wirst. Und wenn ich mit dir fertig bin, werde ich den Rest herausfinden.“
Als Mirtin mehrmals laut in die H?nde klatschte und die anwesenden Schüler bei sich versammelte, lie? Raffael sie stehen und trat zu den Anderen. Erneut machte sie eine sonderbare Beobachtung. Er trat nicht nur zu ihnen, er trat zwischen sie und Mirtin. S?uerlich dachte sie daran, wie er sich als Beschützer inszenierte.
Nein, schoss es ihr dann durch den Kopf. Er war einer. Im Hinblick auf seine Provinz und die, die er schützen wollte. Das, was einen m?chtigen Menschen ausmachte. Sie sah er dabei als ein Problem an, welches es unter die Kontrolle zu bringen galt.
Etienne stellte sich etwas Abseits in den Schatten der Bühne.
Immerhin hatte Mirtin ihr gesagt, sie sollte dort warten. Dann holte sie einen Stift hervor und zeichnete ein Symbol auf ihrer Fingerkuppe. Es dauerte nicht lange, bis sie es gezeichnet hatte, w?hrend Mirtin die Abwesenheit von Anjelika ankündigte und ihre Erwartungen an die Schüler aussprach. Als sie auf Etienne deutete und die Neue den Schülern der anderen Klasse vorstellte, war Etienne schon l?ngst fertig mit ihrer Vorbereitung. Sie würde nur einen Moment brauchen und das Problem mit Anjelika würde sich für den Anfang gel?st haben.
Nachdem die Aufmerksamkeit der Menschen nicht mehr auf sie gerichtet war, blickte sie erwartungsvoll zu ihrem Djinn und entschloss sich, ihn für dieses Unterfangen einzuschalten. Er flog zu ihr und setzte sich aufgeregt auf ihre Schulter. Etienne bemerkte Raffaels misstrauischen, wachsamen Augen in ihre Richtung und es st?rte sie so sehr, dass er scheinbar jede Bewegung wahrzunehmen schien, w?hrend alle anderen nicht auf sie achteten.
?Ich brauche eine kleine Ablenkung, wenn ich in seiner N?he bin“, sagte sie zu ihm, ?und zwar bei der n?chstbesten Chance.“
?Was willst du machen?“, fragte Catjill.
?Lass uns nicht jetzt darüber reden“, sagte sie zu ihm. Sie grinste Raffael entgegen, welcher weiterhin die Interaktion zwischen ihr und ihrem Djinn beobachtete.
Nachdem Mirtin ihre Rede gehalten hatte, setzte sich Etienne an die seitlichen Pl?tze neben der Bühne, weiter weg von all den Schülern, welche gerade dabei waren, ihre Arbeit aufzunehmen.
Bevor sie Elias ausmachen konnte, war es Scarlett, welche zu ihr herüberschlenderte.
?Ich habe schon geh?rt, dass du ziemlich verstimmt sein solltest, aber bei diesem Gesicht hat Raffael eindeutig untertrieben.“
Scarlett war die zweite Person, die für den Fluch infrage kam. Und Alberto. Vielleicht sollte sie diesen noch einmal besuchen und sich mal anschauen, inwiefern er das in sich hatte. Sie hatte ihn als grimmig, aber ungef?hrlich eingesch?tzt. Vielleicht hatte sie sich ja get?uscht.
?Hast du mit Alberto an den Jacken gearbeitet?“
Scarlett hob überrascht die Brauen und dann grinste sie Etienne stolz an, ?Ja. Ich habe alles gegeben, definitiv meine beste Leistung bisher. Ich hoffe, du magst es.“
Etienne erwiderte nichts, aber sie spürte die Wut erneut in ihr hochsteigen. Hatte sich Scarlett so gefühlt, als sie damit gedroht hatte, Bianca die Augen auszukratzen? Dieser Gedanke lie? sie jedoch etwas ruhiger werden. Etienne war sich ziemlich sicher, dass der Fluch unter ihrem Stuhl von Bianca kam. Oder von ihrer Begleitung. Scarlett konnte sie sich nicht als jemanden vorstellen, der mit Flüchen spielte. Dafür waren ihre Emotionen noch zu rein, nicht abgestumpft, wie es bei Fluchwebern meistens der Fall war. Und wenn sie nicht zusammengearbeitet hatten, was ihr unwahrscheinlich schien, dann müsste es noch einen anderen Fluchweber in der Stadt geben, den Raffael nutzen musste. Aber unabh?ngig dessen war Scarlett diejenige von den beiden, welche neben Alberto am meisten Kontakt zu der Jacke hatte. Sie musste auf irgendeine Art und Weise damit zu tun haben, selbst wenn sie für die Person nur die Tür ge?ffnet hatte.
?Ich mag es sehr“, s?uselte Etienne in gespielter Freude, ?so sehr, dass ich es dir im gleichen Ma?e wiedergeben werde.“
Scarlett hob belustigt die Braue. ?Wieso h?rt sich das wie eine Drohung an?“
Etienne verspürte kurz das Bedürfnis, sich mit Scarlett anzulegen. Sie wusste ganz genau, was sie sagen musste, um ihr die Belustigung aus dem Gesicht zu schlagen. Aber im Gegensatz zu Raffael würde Scarlett wahrscheinlich auf volle Konfrontation gehen und das vor all den Anwesenden. Etienne war sich nicht sicher, ob sie ein Publikum wollte, wenn sie diese beiden auseinandernehmen würde.
?Geh auf deinen Platz“, befahl Raffael und trat zwischen die beiden, verhinderte Etiennes Blick auf sie.
Scarlett seufzte genervt. ?Wieso beh?ltst du den ganzen Spa? immer für dich?“
Etienne stand auf und trat um ihn herum. Die sanfte Magie des Djinns trieb ihr die G?nsehaut den Rücken hinunter.
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?Mirtin wird sich dich schon wieder herauspicken, wenn du dich heute nicht anstrengst.“
?Das liegt nur daran, dass du mich letzte Woche in dieses bl?de Chateau geschleppt hast.“
Die Schüler kümmerten sich kaum um sie, aber Etienne konnte Mirtin ausmachen, welche mit einem scharfen Auge alles beobachtete. Etienne war bisher nicht aufgefallen, dass in diesen eine Strenge lag, welche der von O’Donnel glich.
Etienne wartete. Ihr Herz schlug ruhig. Doch es passierte nichts. Catjills Magie hatte sich noch nicht manifestiert, auch wenn Etienne spüren konnte, wie sie sich langsam ausbreiteten.
Die Schüler zogen ein Bühnenbild nach oben. Lichter wurden angemacht und die Leuchte über ihnen ausgeschaltet.
?Ist gut, ist gut“, meinte Scarlett und seufzte theatralisch, ?Streitet euch nicht zu sehr, wenn ich nicht anwesend bin. Ich würde das Drama gerne direkt vor mir entfaltet sehen. Vielleicht kann ich etwas daraus lernen.“
Scarlett verschwand und Crom half ihr die Bühne hoch. Seine Augen wanderten zu Etienne und Raffael. Etienne fragte sich, worin er eingeweiht war, denn im Moment schien er irgendwie nicht glücklich zu sein, auch wenn sie nicht wusste, womit genau.
?Ich w?re dir dankbar, wenn du sie hier herausl?sst“, sagte Raffael.
Etienne schnaubte. ?Ich bitte dich. Sie ist zu mir gekommen, nicht ich zu ihr.“
Mal abgesehen davon, konnte er wohl kaum erwarten, dass Etienne nicht alles nutzte, was ihr zu Verfügung stand. Eine beinahe schon l?cherliche Bitte.
?Ich meine es ernst“, sagte er, ?au?er du geh?rst zu den Menschen, die sich die Schw?cheren herausnehmen, weil sie mit dem wahren Gegner nicht zurechtkommen. Du wei?t schon, wie Braad, mit dem du scheinbar mehr und mehr Gemeinsamkeiten hast.“
Beinahe w?re sie bereit gewesen, auf seine Provokation einzugehen. Aber sie verstand nur zu gut, dass er versuchte, sie von Scarlett abzulenken.
?Hast du Scarlett schwach genannt? Das erz?hle ich ihr“, erwiderte sie, ?Vielleicht wird sie dich dann wieder einkleiden.“ Sie ging um Raffael herum und bedachte ihn von oben bis unten, ?Was mich zu der Frage führt, wo dieser wundersch?ne Pullover von gestern hin ist? Sie hatte recht. Es passt perfekt zu dir.“
Er rührte sich nicht, bedachte sie aber wachsam, w?hrend sie um ihn herum ging. Raffael setzte zu einer Antwort an, als das Bühnenbild, welches mühsam nach oben gezogen wurde, mit einem lauten Krach auf der Bühne landete. Erschrockene Schreie drangen zu ihr hindurch, doch Etienne ignorierte sie und nutzte Raffaels Unachtsamkeit, um sein Handy aus seiner Hosentasche zu ziehen. Er war so sehr zusammengezuckt, dass sie es als sehr unwahrscheinlich ansah, dass er es gemerkt haben konnte. Und dann sah er besorgt aus. Sie wandte sich wieder der Bühne zu. Keiner schien verletzt.
?Also wenn ihr so weiter macht, wird das nichts mit eurem Stück.“
Kurz fühlte sie sich furchtbar, dass die Arbeit der Schüler Opfer ihrer Fehde mit Raffael war. Aber sie sah die Schuld bei ihm. Er hat die Waffe zuerst gezückt.
?Oh, keine Sorge. Ich werde schon dafür sorgen, dass das funktionieren wird. Und ich werde dich besonders dafür ackern lassen.“
?Nimm dir nicht zu viel vor“, sagte sie lachend und fragte dann, ?Also, was genau ist das Ziel von dem Ganzen hier?“
Sie war so zufrieden mit sich selbst, dass es ihr kurz egal war, ob sie sich vor ihm eine Bl??e gab. Sein Handy lag nun in ihrer Jackentasche und es war eindeutig, dass er es nicht gemerkt hatte. Ein zentraler Unterschied zwischen ihnen beiden, der für sie jetzt sehr deutlich wurde. Raffael war viel zu sehr der vorsichtige Planer, der sich im Hintergrund hielt und die Kontrolle unter allen Umst?nden zu behalten suchte. Sie hingegen war schon immer inmitten der wildesten Situationen gewesen, immer ein einflussreicher Teil des Geschehens.
Er gab ein lachendes Ger?usch von sich und sagte: ?Oh nein, Schatz. Du wolltest die Hilfe nicht annehmen, als ich sie dir angeboten habe und ich werde sie dir nicht geben, nur weil du pl?tzlich deine Meinung ge?ndert hast.“
?Das ist kein Problem“, sagte sie l?chelnd, ?Ich frage einfach Elias. Er wird mir die Frage sicherlich ganz ehrlich und ausführlich beantworten.“
Raffael schnaubte und ein ver?rgerter Funke leuchtete in seinen Augen auf. Etienne war froh darüber, einen Weg gefunden zu haben, ihn stetig aufzuziehen. Ihn aus der Bahn zu werfen würde es ihr leichter machen, zuzuschlagen, wenn sie es musste. Wie bei Halil. Sie musste nur darauf achten, dass er keinen Weg fand, ihr unter die Haut zu gehen.
Katelin tauchte auf. Sie trat durch die Tür zum Haupteingang und nach einem besorgten Blick zur Bühne, machte sie dann Etienne aus und trat zu ihr. Sie holte ihren Notizblock hervor und zeigte eine Nachricht, welche sie bereits zuvor geschrieben hatte. Laut dieser erwartete Elias sie im Klavierzimmer im oberen Stockwerk.
Etienne l?chelte Katelin an. ?Welche Raumnummer ist es?“
Katelin machte Anstalt, es aufzuschreiben, doch Raffael kam ihr zuvor. ?Die 102. Geh dich nur verstecken.“
Misstrauisch sah sie zu ihm. Doch er l?chelte nur Katelins alarmiertem Blick entgegen und ging dann los, wahrscheinlich um den anderen zu helfen.
Katelin schrieb erneut etwas in ihren Block.
Ist bei euch alles in Ordnung?
Etienne wollte sich nicht zu viel mit ihr unterhalten. Sie konnte sich noch zu gut daran erinnern, wie sensibel Katelin war. Dennoch schenkte sie ihr ein beruhigendes L?cheln. ?Es ist alles gut. Ich mache mich auf den Weg. Vielleicht kannst du mir irgendwann sp?ter die Kostüme zeigen, ja?“
Katelin strahlte sie mit ihrem breiten L?cheln an und nickte ihr zu. Etienne beeilte sich dann, von ihr wegzukommen. Sie würde die Distanz zu ihr wahren. Als die gro?e Tür hinter ihr zufiel, machte sie sich direkt auf den Weg zur Treppe.
?Ist jemand in der N?he?“, fragte sie den Kater, welcher stolz um sie herumflog.
?Nein“, sagte er mit einem zufriedenen Enthusiasmus. Er musste sehr stolz auf seine Leistung sein.
?Warne mich, bevor ich in das Sichtfeld von jemandem komme“, sagte sie und holte das Handy hervor. Sie legte ihren Finger an die Rückseite und sah es hell aufleuchten. Sie hatte Raffael es schon einige Male nutzen sehen und kannte das Modell. Vielleicht würde sie noch mal ein anderes Symbol ausprobieren müssen, aber dann würde sie sich schnell auf die Toilette stehlen und es korrigieren. Doch ihre Sorge legte sich, als der Sicherheitsmechanismus umgangen wurde und sie sein Display sehen konnte. Wie Catjill war auch sie sehr zufrieden mit sich.
Etienne suchte nach dem Icon für die Nachrichten und tippte auf dieses. Sie musste l?cheln, als sie die ganzen Nachrichtenverl?ufe sah. Wenn Raffael es zu sp?t merken würde, dann würde sie die Chance nutzen, sie alle durchzuschauen. Aktuell interessiert sie jedoch nur eine Person. Sie gab in die Suchfunktion den Namen Anjelika ein. Direkt bei den ersten beiden Buchstaben fand sie den Verlauf und las ihn kurz durch. Die letzte Nachricht handelte von dem Theaterstück und darum, dass sie scheinbar sauer auf Raffael und Scarlett war, weil diese am Wochenende zuvor nicht auftauchen konnten.
Bevor sie Anjelika eine Nachricht schrieb, versuchte sie auszumachen, wie Raffaels Schreibweise war. Zu ihrer Freude entdeckte sie eine Nachricht an Anjelika gerichtet, welche sie vor mehr als drei Monaten in einer Dringlichkeit in das zentrale Haus der zweiten Provinz rief, welches das von Raffael war. Sie kopierte die Nachricht, fügte sie noch mal ein und ?nderte sie minimal, damit es nicht zu auff?llig wurde. Kaum eine Minute sp?ter hat Anjelika ihr geantwortet. Dann folgten drei weitere Nachrichten, welche Besorgnis durchsickern lie?en. Etienne beteuerte noch einmal die Dringlichkeit von Anjelikas Anwesenheit in der zweiten Provinz und nach einer Best?tigung von ihr schaltete sie das Handy aus. Wenn Anjelika bereits unterwegs war, dann musste sie nun wieder zurück in die Provinz. Bis sie bei Raffaels Haus angekommen war, müsste einiges an Zeit vergangen sein, dann zus?tzlich der Rückweg und sie würde insgesamt sehr sp?t ankommen. Aber nicht sp?t genug, um nicht am Theaterstück teilzunehmen.
Raffael würde das Handy wiederhaben wollen. Das konnte sie nutzen. Sie würde es ihm aber erst in der Pause wiedergeben und nur unter dem Versprechen, dass er Anjelika nicht nutzen würde. Sie wusste, er würde sich daran halten. Denn trotz allem hat er sich bisher daran gehalten, nicht den Stein gegen sie zu nutzen.