Schweigend schreite ich hinter den Bediensteten her, durch Hallen, die vor Pracht nur so erstrahlen. Hohe, gew?lbte Decken tragen kunstvolle Fresken, die in schimmerndem Blattgold eingefasst sind. Massive Kristalllüster h?ngen wie glitzernde Himmelsk?rper von oben herab, ihr Licht tanzt auf Marmorb?den, die so makellos sind, dass sie beinahe wie Wasser wirken. Die W?nde sind geschmückt mit üppigen Wandteppichen, deren Farben und Muster Geschichten von l?ngst vergangenen Triumphen und Mythen erz?hlen. üppige Blumenarrangements stehen auf filigranen Sockeln, und der Duft frischer Rosen mischt sich mit dem von warmem Wachs und feinen Gewürzen.
Hier, wo die Blicke der G?ste wandeln, scheint jeder Zentimeter vom Glanz des überflusses durchdrungen zu sein. Vergoldete Zierleisten, kunstvolle Skulpturen und fein gearbeitete M?belstücke flüstern von Macht und Prestige. Alles hier erz?hlt von einem Reichtum, der kaum in Worte zu fassen ist, und dennoch fühlt sich die Stille schwerer an als die Opulenz, die mich umgibt.
All die Jahre habe ich ihnen gehorcht, habe versucht, die Tochter zu sein, die ihr Vater lieben k?nnte, und vielleicht eines Tages auch die Frau seines Herzens. Doch heute wurde mir einmal mehr klar, dass ich für sie keinerlei Wert habe. Nun schicken sie mich wie ein Schaf zur Schlachtbank. So wenig wie ihnen die Gefühle der Tiere bedeuten, die sie bedenkenlos verspeisen, so gleichgültig ist ihnen auch mein Wohlergehen.
Dieser Mann… Lord Louweris. Für ihn war ich von Anfang an nichts weiter als ein Sammlerstück, ein weiteres Objekt für seine Kollektion. Und jetzt werde ich zu ihm geführt, bereit, damit er seinen Besitz in Anspruch nehmen kann. Die Angst schnürt mir die Kehle zu, ein kalter, klammer Schatten, der sich über mein Herz legt. Meine Beine sind schwer wie Stein, jeder Schritt eine Qual, als müsste ich Berge versetzen. Gleichzeitig spüre ich, wie meine Handfl?chen feucht werden. Hastig wische ich sie an dem seidenen Stoff meines Kleides ab, doch das Zittern bleibt.
Sobald wir die G?nge verlassen, die w?hrend der Feier von den G?sten benutzt werden dürfen, verliert alles seinen Glanz. Die Hallen hinter mir wirken, als geh?rten sie einer anderen Welt an, einem Traum, der sich langsam aufl?st. Die Farben der Sch?nheit verblassen, weggespült von einer unsichtbaren Hand, und was bleibt, ist das Grau der Realit?t.
Vor einer schweren Tür bleiben die Bediensteten stehen. Einer von ihnen klopft an. Nur wenige Sekunden vergehen, bevor Lord Louweris ein knappes Signal gibt, dass er bereit ist. Eine der Frauen ?ffnet die Tür, und ich z?gere, bleibe stehen. Mein Blick gleitet durch den Spalt, der mir einen Teil meines Raumes offenbart. Die Regale sind leer. Meine Bücher… Ich hoffe, sie wurden unversehrt in die Koffer gepackt. Doch was würde es mir nützen? Es ist nicht so, als h?tten sie eine Bedeutung an jenem Ort, der nun mein Zuhause sein soll. Wo lebt Lord Louweris wohl?
?Ich habe doch herein gesagt!“ Seine Stimme durchbricht meine Gedanken und ich zucke zusammen. ?Seit wann l?sst ein Weib ihren Gemahl warten?“
Aus Angst, dass die Bediensteten für mein Z?gern bestraft werden k?nnten, trete ich hastig ein. Hinter mir schlie?t sich die Tür mit einem dumpfen Ger?usch. Ich blicke über meine Schulter, erschrocken.
?Meine Geliebte“, spricht Lord Louweris mit einem breiten L?cheln, als er sich von dem Sofa erhebt – dem Sofa, auf dem ich in den letzten Jahren so oft gelegen habe. Es schmerzt, ihn dort sitzen zu sehen. In seiner Hand h?lt er eine Zigarre, an der er genüsslich zieht. ?Das war ein ?u?erst anstrengender Abend. Ich bin wohl zu alt für solche Feierlichkeiten. Aber nun k?nnen wir zum besten Teil übergehen.“
Ich verstehe, was er meint. Er will keine Zeit verlieren. Doch ich m?chte Zeit schinden. Ich will das Unvermeidliche hinausz?gern, so lange es geht. Doch aufhalten kann ich es nicht.
Er geht zur Tür hinter mir, dreht den Schlüssel im Schloss und verstaut ihn in seiner Jackentasche – ein Schlüssel, der normalerweise K?nigin Mayyira geh?rt. Dann kehrt er zum Sofa zurück, l?sst sich mit gespreizten Beinen nieder und nimmt einen kr?ftigen Zug von seiner Zigarre. Der Rauch kringelt sich wie eine kleine, bedrohliche Wolke um ihn, der bei?ende Geruch steigt mir in die Nase. Mit einer ungeduldigen Geste bedeutet er mir, fortzufahren.
Ich bleibe stehen, spiele die Verwirrte, tue so, als h?tte ich ihn nicht verstanden. ?Du sollst dich mir pr?sentieren,“ befiehlt er schlie?lich, seine Stimme schneidend, der Rauch entweicht ihm wie ein giftiger Nebel. ?Glaubst du etwa, ich habe dich nur geheiratet, um dich anzusehen?“
Ich antworte nicht. Meine Augen bleiben an ihm h?ngen, als k?nnten sie mich davor bewahren, das n?chste Wort zu h?ren. Meine H?nde sind kalt, reglos, und alles in mir schreit danach, das Kleid nicht abzulegen. Es ist das Kleid, das K?nigin Mayyira für diesen Abend gew?hlt hat – eine Wahl, um Lord Louweris zu gefallen. Und doch… Ich will es nicht ablegen. Nicht für ihn. Nicht für irgendjemanden.
Ich weiche einen Schritt zurück, meine Augen huschen durch den Raum, verzweifelt suchend nach einem Halt, nach einem Zeichen von Hoffnung. Aber nichts ist geblieben. Mein Bett, frisch bezogen, wirkt fremd, als geh?re es bereits jemand anderem. Der Gedanke an morgen – an den Tag meiner Abreise, an das unwiderrufliche Verlassen dieses Ortes – lastet schwer auf mir. Werde ich jemals zurückkehren? Wahrscheinlich nicht. Wieso weint niemand um mich? Wieso muss ich diesen Moment allein durchstehen?
?Du erinnerst dich doch an meine Warnung“, sagt er pl?tzlich. Seine Stimme ist ruhig, beinahe beil?ufig, w?hrend er mit einer Handbewegung an die Ohrfeige erinnert, die er mir verpasst hat. Reflexartig greife ich mir an die Wange, die noch immer von einem dumpfen Schmerz zeugt.
?Also doch“, f?hrt er fort, seine Lippen zu einem kalten L?cheln verzogen. ?Dann lass mich nicht l?nger warten. Zieh dich aus.“
Mein Kopf schüttelt sich, fast von selbst. Der Gedanke, mich vor ihm zu entbl??en, l?sst eine Welle aus Scham und Wut durch mich fahren. Wie kann er glauben, das Recht zu haben, mich so zu erniedrigen? Doch tief in mir wei? ich, wie machtlos ich bin. Die verschlossene Tür hinter mir, die St?rke, die er bereits gezeigt hat – die Erinnerung an seine Hand auf meiner Wange. Es ist ein hoffnungsloser Kampf.
?Hast du gerade deinen Kopf geschüttelt?“ Seine Stimme wird sch?rfer, lauter, und er erhebt sich mit einer bedrohlichen Langsamkeit von seinem Platz. ?Die Ohrfeige war wohl nicht schmerzhaft genug für dich!“
Seine Schritte hallen im Raum wider, als er sich mir n?hert. Meine Beine wollen weichen, aber ich bin wie festgewurzelt. Er packt mich an der Schulter, seine Finger bohren sich schmerzhaft in meine Haut, und ich spüre die Hitze seiner Zigarre n?herkommen, bevor ich sie sehe.
?Ich werde dir Gehorsamkeit lehren müssen“, zischt er, bevor er mir die glühende Spitze der Zigarre auf die nackte Haut presst.
Ein Schrei entf?hrt mir, ein Laut, der durch die Mauern dringen müsste, doch niemand wird kommen. Die Hitze frisst sich in meine Haut, schneidet wie glühendes Metall. Panisch versuche ich, ihn von mir wegzusto?en, schlage um mich, doch er h?lt mich fest. Seine andere Hand umklammert meinen Arm wie ein Schraubstock, die N?gel graben sich in mein Fleisch, als würde er mich zwingen wollen, jeden Moment dieses Schmerzes zu spüren.
Das Brennen wird unertr?glich, ein pochender, alles verzehrender Schmerz, der mich beinahe taub macht. Meine Beine geben nach, doch er h?lt mich aufrecht. Sein Gesicht ist nah, seine Augen funkeln vor einer kranken Befriedigung, die mir die Luft zum Atmen nimmt.
?So ist es besser“, sagt er leise, w?hrend sich der Rauch der Zigarre mit dem Gestank von verbrannter Haut vermischt.
Mein Herz rast, jeder Schlag dr?hnt wie ein Trommeln in meinen Ohren. Die Welt verschwimmt, ein Schleier aus Schmerz, Angst und Abscheu legt sich über alles, und ich wei?, dass dieser Blick – dieser triumphierende, verachtende Blick – mich für immer verfolgen wird.
Er st??t mich mit brutaler Kraft nach hinten, und ich falle unkontrolliert rückw?rts auf mein Bett. Die Matratze federt leicht nach, doch es ist, als würde ich auf Stein landen – mein ganzer K?rper fühlt sich schwer und taub an.
Mein Arm pocht unerbittlich, ein dumpfer, tiefer Schmerz, der nicht nachl?sst, sondern sich ausbreitet, als würde die Glut sich in meine Haut hineinbohren. Ich wage einen Blick darauf und bereue es sofort. Die Haut ist nicht mehr rot wie bei einer frischen Verletzung, sondern hat einen unnatürlichen, w?chsernen Farbton angenommen. Ein Teil davon sieht aus wie verbranntes Leder, hart und leblos.
Um den Rand der verbrannten Stelle herum zieht sich die Haut unregelm??ig zusammen, als h?tte jemand grob daran gezerrt. Dort, wo die Zigarre die Haut berührt hat, ist nichts mehr übrig au?er einer dunklen, verkohlten Kruste. Kein Blut, keine Flüssigkeit – nur Stille und Hitze, die weiter in die Tiefe brennt, selbst jetzt, wo die Zigarre l?ngst fort ist.
Ich spüre, wie mir übel wird. Mein Kopf dr?hnt, und für einen Moment habe ich das Gefühl, den Raum um mich herum zu verlieren. Die Schwere dieser Wunde ist nicht nur schmerzhaft – sie ist endgültig.
Meine Finger bewegen sich zitternd in Richtung des Arms, doch als ich nahe genug bin, schl?gt die Hitze zurück. Es ist nicht die Art von Schmerz, bei der man schreien kann. Es ist eine K?lte in meinem Inneren, die das Feuer überdeckt – das Wissen, dass nichts an meinem Arm mehr lebt.
Er steht vor mir, ein triumphierendes L?cheln auf seinem Gesicht, w?hrend er sich genüsslich die H?nde reibt. ?Vielleicht lernst du jetzt, was es bedeutet, mir zu widersprechen“, sagt er kalt. Doch seine Worte erreichen mich kaum. Alles, was bleibt, ist die schreckliche Stille, die von meinem Arm auszugehen scheint – eine Leere, die mich von innen heraus zerfrisst.
Lord Louweris beugt sich über mich, seine Augen mustern mich wie ein Objekt, das ihm geh?rt. Seine N?he ist unertr?glich, und ich spüre den kalten Druck seiner Hand auf meinem Arm. Der Schmerz, der von der verbrannten Stelle meines Oberarms ausgeht, zieht sich wie ein Draht durch meinen K?rper, und ich kann kaum denken, so stark ist er. Die Wunde, die sich in meine Haut eingebrannt hat, brennt unaufh?rlich, als w?re jedes Gewebe in mir auf dem Punkt der Zerst?rung. Ich versuche mich zusammenzuhalten, doch jede Bewegung versch?rft das brennende Gefühl, als würde jemand mit glühenden Eisenstangen an mir arbeiten.
?Du solltest wissen, dass diese Verbrennung nicht das Einzige ist, was dich erwartet, solltest du dich meinen Befehlen erneut widersetzen“, sagt er, seine Stimme rau und voller Macht. ?Vergiss nicht, dass eine Lady Louweris zwei Grunds?tze zu befolgen hat: Du gehorchst mir und geb?rst mir einen Sohn.“
Die Worte treffen mich wie ein Schlag. Ich will ihn anschreien, will mich wehren, doch der Schmerz überflutet mich. Ich kann nichts tun. Die Wunde in meinem Arm pocht, und das Gefühl, hilflos zu sein, erstickt jede Regung. Meine Z?hne bei?en sich fest aufeinander, doch der Schmerz l?sst mich kaum Luft holen. Es fühlt sich an, als ob mein K?rper sich gegen mich wendet, als ob jedes Atemholen ein Kampf gegen das Feuer in mir ist.
?Warum wehrst du dich?“, fragt er leise, seine Hand wandert zu meinem Kleid. Der Gedanke, mich ihm v?llig zu entziehen, macht mich schwach. ?Es wird dir nichts bringen, dich zu wehren.“
Ich will nicht, dass er mich so sieht, will nicht, dass er sich in dieser Weise über mich hinwegsetzt, doch ich wei?, dass ich mich nicht bewegen kann, dass ich zu sehr mit dem Schmerz besch?ftigt bin. Der Schwei? steht mir auf der Stirn, meine H?nde zittern, aber es ist nicht nur die k?rperliche Qual, die mich qu?lt. Es ist der Verlust der Kontrolle, das Wissen, dass ich mich in diesem Moment nicht befreien kann. Jeder Muskel in meinem K?rper schreit nach Widerstand, doch ich bin zu schwach.
Mein K?rper fühlt sich fremd an, als h?tte ich die Kontrolle darüber verloren. Jede Bewegung bringt den Schmerz nur noch mehr zur Geltung, und meine Wange brennt von der schmerzhaften Erinnerung an seine Ohrfeige. Ich presse die Lippen fest aufeinander, doch die Tr?nen laufen mir über das Gesicht, ohne dass ich sie stoppen kann. Es fühlt sich an, als würde der Schmerz jede Faser meines Seins zerschneiden, als ob er mich in Stücke rei?en m?chte.
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?Bleib ruhig“, befiehlt er. ?Was jetzt kommt, ist eine Ehre, die dir zuteilwird.“
Er ?ffnet den Verschluss meines Kleides, seine Berührungen sind unbarmherzig und fordernd. Ich versuche, mich abzuwenden, doch die Tr?nen laufen mir weiter über das Gesicht, obwohl ich nicht will, dass er sie sieht. Mein Herz schl?gt in meiner Brust wie ein wildes Tier, das sich vergeblich befreien m?chte. Der Moment dehnt sich aus, wird zu einer Ewigkeit, die keinen Ausweg l?sst. Ich fühle mich so zerbrechlich, so hilflos, dass es schwer ist, die Fassung zu bewahren. Jede Faser meines K?rpers schreit nach Flucht, doch ich bin gefangen – in meinem eigenen Schmerz, in dieser endlosen Qual.
Der Schmerz in meinem Oberarm schie?t pl?tzlich intensiv auf, und erschrocken weite ich die Augen. Lord Louweris grinst mich h?hnisch an, w?hrend seine Hand auf meiner Wunde liegt, sie fest pressend.
?Leg deine Hand auf mein Glied und der Schmerz wird aufh?ren“, befiehlt er und seine Augen wandern über meinen nackten K?rper. ?Zum Teil. Schlie?lich wirst du heute noch andere Schmerzen erfahren.“
Entsetzt schüttle ich den Kopf. Der Schmerz in meiner Wunde wird unertr?glich, und das Gefühl, das Bewusstsein zu verlieren, droht mich zu überw?ltigen.
?Du bist ein ungezogenes Kind“, zischt er und schl?gt mich mit der Faust ins Gesicht. Ich erstarre und obwohl mein Oberarm weiterhin schmerzt, reagiert mein K?rper nicht mehr auf meine Signale. ?Wenn ich meine Peitsche dabei h?tte, h?tte ich dir ordentlich Vernunft eingeprügelt. Nun, meine F?uste tun es auch. DU SOLLST IHN ANFASSEN!“
Seine Wut erreicht ihren H?hepunkt. Mit geballten F?usten steht er vor mir, doch mein Blick verschwimmt, der Schmerz in meinem Kopf pulsiert, begleitet von einem grellen Pfeifen in meinem rechten Ohr. Er erwartet, dass ich seinen Befehlen gehorche, doch statt ihm zu antworten, starre ich ins Leere. Die Schmerzen rauben mir die F?higkeit zu denken. Er schnaubt laut und setzt dann zum Schlag an, als w?re ich eine übungspuppe, an der Krieger ihre Schwertkunst perfektionieren – ein unempfindliches Objekt. Ich schmecke Blut, doch ich kann nicht herausfinden, woher es kommt. Mein Leben zieht in einem Strudel an mir vorbei, und in diesem Moment frage ich mich, ob ich je wirklich lebendig war.
?VESPERA, DU SOLLST LEBEN!“
Die Stimme dringt glasklar in mein Ohr, als würde sie direkt darin schreien. Doch mein K?rper hat keine Kraft mehr, und je h?ufiger Lord Louweris zuschl?gt, desto mehr schwinden meine letzten Kr?fte. Meine Augen wandern zur Seite, wo die Kerze auf dem Nachttisch hell flackert. In diesem Moment stoppt er pl?tzlich und legt meine Hand an die gewünschte Stelle.
?Siehst du“, knurrt er, immer noch voller Wut. ?Du hast noch nie etwas Gr??eres berührt, oder?“
Die Schmerzen d?mpfen all meine Empfindungen, und meine Hand fühlt sich taub an. Selbst seine Berührungen nehme ich kaum noch wahr. Lord Louweris legt seine Hand auf meine Knie und spreizt sie weiter. Doch in dem Moment, als er seine grausamen Absichten in die Tat umsetzen will, blitzt etwas in meinem Augenwinkel auf. Ich blicke zum Nachttisch und entdecke eine Haarnadel, die vermutlich von den Bediensteten dort abgelegt wurde, damit ich am Morgen nicht mit meinen Haaren k?mpfen muss. Meine Entscheidung f?llt im Bruchteil einer Sekunde. Bevor er etwas tun kann, nutze ich die letzte Kraft, die mir bleibt, und sto?e ihm die Nadel direkt ins Auge. Ein schmerzerfüllter Laut entweicht ihm, als er nach hinten taumelt. Seine Hand umklammert die Nadel, w?hrend Blut aus der Wunde str?mt.
?DU MIESE SCHLAMPE!“, brüllt er mit zornverzerrter Stimme und keucht hysterisch. ?ICH WERDE DICH DAFüR BESTRAFEN!“
Das Pfeifen in meinem Ohr l?sst nach, und die Ger?usche der Welt dringen wieder vollst?ndig zu mir durch. Für einen Moment liege ich auf dem Bett, hole tief Luft und sammle die letzte Kraft, die ich brauche, um den Konsequenzen meiner Entscheidung zu entfliehen. Zu lange habe ich mich diesen Strafen gestellt, sie ertragen, als w?re das mein unvermeidliches Schicksal.
Doch pl?tzlich durchstr?mt eine unerwartete St?rke meinen K?rper. Ich richte mich auf und stehe, von Abscheu erfüllt, vor dem Scheusal, das mich brechen wollte. Mein Blick f?llt auf mein Kleid – ein Hindernis, das mich bei der Flucht behindern würde. Stattdessen greife ich nach der Jacke von Lord Louweris, werfe sie mir über und kn?pfe sie zu, um meinen entbl??ten Oberk?rper zu bedecken. In ihrer Tasche finde ich einen Schlüssel, den ich sofort nutze, um die Tür zu entriegeln.
?DU WIRST NIEMALS VOR MIR FLIEHEN K?NNEN!“, schreit er voller Selbstübersch?tzung, w?hrend er sich mühsam aufzurichten versucht. Doch sein geschundener, alter K?rper gehorcht ihm nicht. ?DU BIST MEIN WEIB, MEIN BESITZ! KOMM SOFORT HER UND GEHORCHE!“
Ich werfe ihm einen letzten, eiskalten Blick zu und zische: ?Mein Name ist Vespera. Dieses Gesicht wirst du nie wieder sehen… jedenfalls hoffe ich das für dich.“
Mit diesen Worten trete ich durch die Tür und schlie?e sie hinter mir ab. Die Schmerzen von seinen Schl?gen und meinen Wunden begleiten mich wie Schatten, w?hrend ich durch den kalten Marmorgang laufe. Die K?lte unter meinen blo?en Fü?en k?nnte mich st?ren, doch stattdessen gibt sie mir Trost. Sie erinnert mich daran, dass ich noch lebe. Dass es eine Chance gibt.
Habe ich es wirklich geschafft? Bin ich tats?chlich frei? Nein, noch nicht. Freiheit liegt noch in weiter Ferne. Sollte Lord Louweris oder einer der Diener mich finden, wird das, was ich bisher erlebt habe, nur ein Vorgeschmack auf die Grausamkeit sein, die mich erwartet. Ich muss hier raus – schnell.
Obwohl ich kaum Zeit au?erhalb meines Zimmers verbringen durfte, kenne ich das Schloss aus den Bruchstücken meiner Kindheit. Vor der Zeit von K?nigin Mayyira wusste ich, wie man sich durch diese G?nge bewegt. Und wenn meine Koffer bereits gepackt sind, müssten sie sich im Pferdestall befinden, verstaut in einer der Kutschen. Ich erinnere mich an die Kutscher, die ich von meinem Fenster aus beobachtet habe, wie sie die ankommenden Lords bedienten. Der Weg nach unten ist mein Ziel.
Mit jedem Schritt k?mpfe ich gegen die stechenden Schmerzen in meinem K?rper. Doch die wahre Last ist eine andere: die Erinnerungen an Lord Louweris und seinen abscheulichen Versuch, mich zu brechen. Diese Narben werde ich für immer tragen.
Jeder meiner Schritte ist bedacht gesetzt. Das Licht in den G?ngen flackert nur noch schwach, und dennoch plagt mich die Panik, dass um jede Ecke jemand hervortreten und mich zurück zu Lord Louweris oder zu meinem Vater bringen k?nnte. Denn jeder im Schloss wei?, dass ich mich niemals ohne Aufsicht au?erhalb meines Zimmers aufhalten darf. Es f?llt mir schwer, ruhig zu atmen, und mein klopfendes Herz droht mich verraten zu wollen. Doch heute, so scheint es, hat das Schicksal Mitleid mit mir, denn bis ins unterste Stockwerk begegnet mir niemand. In der Ferne erkenne ich einen Ausgang, der meinen Berechnungen nach direkt zu den Pferdest?llen führt, weit unterhalb meines Zimmers. Sobald ich die frische Luft einatme, halte ich inne und spüre, wie sich eine G?nsehaut über meinen K?rper legt, als meine Fü?e nach so langer Zeit wieder das Gras berühren. Der Moment ist nur von kurzer Dauer, doch er fühlt sich wie eine Ewigkeit an. Die eintretenden Schmerzen erinnern mich an mein Ziel, und hastig eile ich zu den Kutschen. Tats?chlich bin ich zum ersten Mal froh, dass der Sommer das K?nigreich erreicht hat, denn andernfalls h?tte ich bei diesem Wetter sicherlich nur mit Jacke und Unterw?sche einen Zeh abgefroren! Schnell schlüpfe ich zu den vielen Kutschen und begutachte jede, auf der Suche nach einem Hinweis, der mir mehr über Lord Louweris’ Besitz verraten k?nnte. Da ich nie einen Koffer benutzt habe, kann ich nicht direkt nach meinen Sachen suchen. Verdammt! Schwieriger kann es kaum noch werden! Fünf Kutschen stehen hier. Zum Glück sind die anderen G?ste schon abgereist, sonst h?tte ich wom?glich Stunden damit verbracht und w?re l?ngst erwischt worden. Pl?tzlich entdecke ich in der Dunkelheit einen wei?en Koffer mit den Initialen ?E.L.“, Elowirn Louweris! Fast alle Gep?ckstücke sind mit diesen Initialen versehen, bis auf eines – ein kleiner, abgenutzter brauner Koffer. Dieser muss von der K?nigin stammen! Sie wollte mit ihrer Wahl sicherlich meinen Wert vor Augen führen, aber ihre Boshaftigkeit wird nun zu meiner Rettung. Schmerzhaft n?here ich mich diesem Koffer, ?ffne ihn vorsichtig, um keinen L?rm zu verursachen. Volltreffer! Ich finde meine Stoffhose und eine lockere Bluse. Schnell ziehe ich sie an und lasse die Jacke von Lord Louweris, die bereits mit meinem Blut befleckt ist, auf seinem Gep?ck liegen. Sollte mir die Flucht gelingen, will ich, dass er sieht, dass sein wertvoller ?Besitz“ nicht Teil seiner Sammlung wird.
?Hast du das geh?rt?“, ert?nt pl?tzlich die Stimme eines jüngeren Mannes, und erschrocken ducke ich mich.
über mir führt eine Brücke, die zwei Teile des Schlosses miteinander verbindet. Warum bin ich nicht auf die Idee gekommen, dass zu dieser Stunde dort oben jemand Wache halten k?nnte?
?Was ist los?“, fragt die zweite Stimme.
?Die Prinzessin ist geflohen!“, antwortet der Erste entsetzt. ?Sie soll dem werten Lord Louweris eine Haarnadel ins Auge gestochen haben!“
?WAS?“, ruft der andere erschrocken, und seine Stimme hallt noch immer in meinen Ohren. ?Wo ist sie jetzt? Konnte man sie aufspüren?“
?Noch nicht“, seufzt der Erste entt?uscht. ?Wenn sie gefasst wird, wird sie die h?chste Strafe erhalten.“
?Aber sie ist doch die Tochter des K?nigs“, entgegnet der Zweite verwirrt. ?Vielleicht wollte sie Lord Louweris nicht heiraten und handelte aus Panik? Sie ist doch sieben Jahre jünger als wir. Glaubst du nicht, sie hatte Angst?“
?Was spielt das für eine Rolle?“, zischt der Erste wütend. ?Lord Louweris ist ein ehrenhafter Mann! Er ist seit vielen Jahren die rechte Hand des K?nigs! Jung oder nicht! Sie sollte sich geehrt fühlen, seine Gemahlin zu werden!“
Der Schmerz in meinem Arm durchzuckt mich, und ich k?mpfe gegen das Verlangen an, mich zu rühren oder einen Laut zu geben, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Dieser Mann, der mich nicht kennt und nur das ?ffentliche Gesicht von Lord Louweris gesehen hat, wagt es, meine Gefühle infrage zu stellen? Warum urteilen die Menschen so schnell und ohne zu wissen, was wirklich passiert ist? Warum sind sie so? Warum?
Dennoch bin ich ihnen dankbar. Erst jetzt erkenne ich, welche Bedeutung Lord Louweris für meinen Vater hat. Die rechte Hand des K?nigs... und mein Vater steht in seiner Schuld. Aber warum? Warum?! Diese Frage brennt in meinem Kopf, doch die Zeit, sie zu beantworten, bleibt mir nicht. Sobald ich hier fort bin, werde ich genügend Momente haben, um diese verfluchten Geheimnisse aufzudecken. Doch jetzt z?hlt nur eines – ein Ausgang, der mich nicht zwingt, mich in die Tiefe zu stürzen.
Die Wachen haben mich gewarnt, den Haupteingang zu meiden – den einzigen Weg, der mich schnell aus diesem Schloss führen würde. Doch was bleibt mir? Die k?niglichen G?rten? Ja, sie sind ein anderer Weg, aber auch dort erheben sich diese unüberwindbaren Mauern. Soll ich wirklich daran denken, sie zu erklimmen? Mein Herz rast bei dem Gedanken.
Wie finde ich am schnellsten dorthin? Gibt es einen verborgenen Pfad um das Schloss? Oder muss ich mich erneut in die Schatten des Schlosses schleichen und hoffen, nicht entdeckt zu werden? Meine Gedanken rasen, w?hrend ich mich rückw?rts bewege, in der Hoffnung, das Schloss aus der Ferne zu betrachten. Pl?tzlich streift ein Zweig meinen verletzten Arm – und ein stechender Schmerz explodiert in mir. Ein Schrei entf?hrt mir, laut und unkontrolliert. Panik durchf?hrt mich. Sofort presse ich eine Hand auf meinen Mund, die andere auf die pochende Wunde. Mein Herz schl?gt so heftig, dass es zu zerspringen droht. Jeder Moment, jede Sekunde k?nnte mein Vater oder seine Wachen hier auftauchen. Tr?nen dr?ngen in meine Augen, doch sie flie?en nicht. Warum nicht? Warum kann ich nicht weinen?
Was soll ich tun? Nicht nur bin ich weit davon entfernt, die k?niglichen G?rten zu erreichen, sondern ich würde dort auch noch mit diesen Mauern konfrontiert werden – Mauern, die mich gefangen halten. Ich bin nie in meinem Leben irgendwo hochgeklettert! Mein Arm pocht wie Feuer, und mein Gesicht schmerzt noch immer aufgrund der Schl?ge von Lord Louweris. Verdammt sei er! Eines Tages werde ich zurückkehren. Und dann wird er bü?en. Er wird für alles bü?en!
?VESPERA!“
Mein Herz bleibt stehen. Meine Knie geben nach. Langsam, wie in Trance, drehe ich mich um. Dort steht er. Mein Vater. Der K?nig. Flankiert von seinen Wachen. Sein Gesicht ist eine Maske aus Zorn, seine Augen voller K?lte. Er tritt vor, hebt seine Hand, und ich wei?, dass dies das Ende ist.
?M?nner, lasst sie nicht entkommen“, sagt er mit einer Stimme, die keine Gnade kennt. Sein Blick trifft mich wie ein Dolch. Abscheu. Immer wieder dieser Abscheu. Ich hatte geglaubt, wir w?ren uns n?her gekommen, dass die W?rme von letzter Nacht echt war. Aber nein. Es war eine Lüge. Eine Lüge, um mich an Lord Louweris zu ketten.
?Du wagst es, Lord Louweris zu verletzen? Wolltest du ihn etwa t?ten?! Habe ich dich zu solch einem Monster erzogen?!“
Ich lache. Bitter und gebrochen. ?Erzogen?“ Meine Stimme bebt vor Emotionen. ?Wann? Wann sollst du mich erzogen haben? War es in den Jahren, in denen ich allein in meinem Zimmer sa?, die W?nde anstarrte? Tag um Tag? Was bildest du dir ein?“
?SCHWEIG!“, brüllt er. ?VERR?TERIN!“
Ein hysterisches Lachen entf?hrt mir, doch es ist kein Lachen der Freude. Es ist das Lachen einer Person, die endlich die Wahrheit sieht, die all die Lügen begreift.
?Ich habe es ertragen“, flüstere ich. ?All die Zeit. Gewartet. Gehofft. Dass du mich eines Tages lieben k?nntest. Ist das zu viel von einem Vater verlangt? Verdammt, ich war ein Kind! Ein kleines, einsames Kind! Und du? Du hast die K?nigin tun lassen, was sie wollte. DU HAST MICH VERDAMMT NOCH MAL IM STICH GELASSEN!“
?WIE KANNST DU ES WAGEN, DEN K?NIG ANZUSCHREIEN?!“, schallt eine eisige Stimme durch die Nacht. K?nigin Mayyira. Sie steht auf der Brücke über uns, ihre H?nde auf das Gel?nder gestützt. Ihre Augen funkeln wie scharfe Dolche im schwachen Licht der Laternen. ?Du wirst dich ergeben und zu deinem Gemahl zurückkehren. Lord Louweris wird eine Strafe für dich finden – und sei es, dass du dein halbes Sehverm?gen verlierst.“
Ich schüttle den Kopf. Ihre Worte erreichen mich nicht. Nichts erreicht mich. Ich begreife es jetzt – ich war niemals ein Teil dieser Familie. Niemals. Und ich werde es auch nie sein.
?M?nner, schnappt sie“, sagt der K?nig. Seine Stimme ist kalt und leer.
Die Wachen stürzen vor.
Ich schlie?e die Augen. Für einen kurzen Moment hatte ich gelebt. Gefühlt. Das Gras unter meinen Fü?en. Die Frische der Luft. Diese Erinnerungen werde ich in meinem Herzen bewahren, denn ich wei?, dass ich das Tageslicht vielleicht nie wieder sehen werde.
?Vespera, brich aus! BRICH AUS!“
Ein seltsamer Druck legt sich auf meinen K?rper. Mein Atem stockt. Ich blicke hinab und sehe... nichts. Doch die Wachen n?hern sich. Was geschieht hier? Ist das die Stimme aus meinem Traum?
?Was ist das für eine Gestalt?“, fragt der K?nig mit einer Mischung aus Verwirrung und Furcht. Sein Finger zeigt auf mich.