Etienne holte ihren Stift hervor. Ein Dreieck zierte in wenigen Sekunden die Innenseite ihrer Handfl?che, gefolgt von Machtw?rtern und Symbolen, welche den Zauber webten, der ihr erlaubte, Feuer zu kontrollieren. Kurz z?gerte sie. Sie konnte sich hier keine Streichh?lzer oder ein Feuerzeug besorgen, dafür reichte die Zeit nicht. Aber sie k?nnte ihre Wut nutzen. Eine Form von emotionaler Energie, welche nicht selten für die Herstellung von Naturph?nomenen und Elementen genutzt wurde. Nicht immer reichte es aus, das Gefühl zu nutzen, um eine Welle an Zerst?rungkraft zu erzeugen. Aber Etiennes Zauber brauchte nur genug Wut für einen Funken und ein au?erordentliches Ma? an Kontrolle, sodass die Worte aus dem Funken ein Feuer entfachten. Beides hatte sie. Feuer und Wut gingen Hand in Hand. Auch Leidenschaft war eine gute emotionale Quelle für Feuer, aber Etienne hatte nichts, was sie mit diesem Gefühl erfüllte. Vielleicht eine Reise in die Berge, mit nichts weiter, als einem Rucksack, einem Schlafsack, ein paar Seilen und einem Kletterhaken. Was würde sie dafür geben, das alles hinter sich zu lassen und zu verschwinden?
Gar nichts, denn das würde sie niemals tun. Da sie das niemals tun würde, blieb ihr nur der zerst?rerische Weg, um das Ganze so schnell es ging zu beenden.
Etienne sprang die Treppen hinunter und zeichnete weiter, kontrollierte ihren Stift mit all ihrer Konzentration. Sie konnte es sich nicht leisten, sich zu verzeichnen. Eine Sorge, welche ganz pl?tzlich entstand, da sie für einen zweiten Versuch nicht genug Zeit h?tte. Insbesondere der Satz, die Brücke zwischen ihrem sch?pferischen Geist und der Realit?t, musste an den richtigen Stellen sitzen, um ein einheitliches, rundes System zu verwirklichen. Sonst würde kein Zauber funktionieren oder im schlimmsten Fall, ihr im Gesicht explodieren. Es war keine komplizierte Magie. Diese Zeichen wurden zum Schwei?en der Schienennetze genutzt, welche seit einigen Jahrzehnten wieder durch das Land ausgebaut wurden. Viele Ruinen der alten Welt wurden dabei erneuert, auch wenn noch immer die ursprünglichen Gro?st?dte gemieden wurden. Sie waren Todeszonen. Noch nie war eine Expedition zurückgekehrt.
Die Tür hinter ihr wurde aufgesto?en und sie entdeckte Raffael, schwer atmend und mit einem ger?teten Gesicht. Genervt stellte sie fest, dass er schneller da war, als sie es erwartet hatte. Er h?tte sie wahrscheinlich viel früher eingeholt, h?tte sie nicht das Fenster genommen.
Etienne lief auf die Bühne und hinter die Vorh?nge. Raffael rief ihr etwas hinterher und sie h?rte, seine schnellen Schritte.
Etienne packte kurz den Stift weg, pustete schnell gegen die noch nasse Farbe, welche rasch trocknete. Ein tiefes Schwarz zierte die Innenfl?che ihrer Hand. Dieser Stift war für Flüche oder andere komplizierte Hochmagie, wie Segen, nicht für einfache Handwerkszauber. Eindeutige Verschwendung von ihrem hart erarbeiteten Geld und auch wenn sie Raffael dafür zahlen lassen wollte, war es ihr nun lieber, die Chance auf den Stein zu bekommen und ihn anschlie?end nie wiederzusehen.
?Bring mich auf das Gerüst, jetzt“, sagte sie ruhig zu Catjill. Von einem Moment auf den anderen war sie ganz oben. Der pl?tzliche Ortswechsel lie? sie straucheln. Es ging weit nach unten und sie wollte nicht fallen. Die aufklaffenden Lücken unter ihren Beinen verunsicherten sie nur kurz, dann gew?hnte sich ihr Kopf an das neue Gebiet. Wenn sie sich nicht irrte, dann waren unter dem Gerüst unter ihren Fü?en Scheinwerfer angebracht und weiter unten entdeckte sie ein anderes Bühnenbild. Das, an dem Meng gearbeitet hat.
Tief unter ihr bewegte sich etwas. Raffael war an der Bühne angekommen und sah sich um. Etienne blieb still, packte ihren Stift und zeichnete weiter. Ein Sicherheitszauber musste her, um ihre Haut vor Verbrennungen zu schützen. Und die Ausrichtung musste festgelegt werden. Sie konnte es nicht erlauben, dass es in allen Richtungen davonflog und sie etwas traf, was sie vielleicht nicht treffen wollte. Beispielsweise sich und den Djinn oder Raffael. Immerhin musste sie sich noch an ihr Versprechen halten und das konnte sie nicht, wenn sie ihn aus Versehen verletzte.
Auf einmal durchfuhr ein harter Ruck das Gerüst, auf dem sie stand. Etienne strauchelte stark. Dann ruckte es in eine andere Richtung und sie fiel hin, gab einen schmerzenden Laut von sich, als ihre Rippen das kalte Metall trafen. Ein Bein hing in den Lücken des Gerüsts, knallte gegen einen Scheinwerfer und sie war froh um die robuste Hose. Sie hatte ihren Stift beinahe fallen lassen.
?Tut mir leid“, drang es von unten, ?Wird nicht noch mal vorkommen, wenn du dich brav ergibst und da runterkommst.“
Sie sah zu Raffael, welcher an der hinteren Seite der Bühne am Steuerungssystem stand. Sie wechselte kurz den Blick in die zweite Ebene, entdeckte jedoch keine goldenen F?den der Magie, die von dort ausgingen.
?Wie wird das betrieben?“, fragte sie, ehrlich neugierig. Vheruna war voll von Magie. Genauso wie nahezu alle anderen St?dte, welche sie je besucht hatte. Calisteo hingegen … Wovon wurde Calisteo angetrieben? Von Roh?l? Und wieso gab es hier so viel Metall? Sie dachte, es w?re selten?
?Wir leben am Meer. Windturbinen und Wasserr?der bieten uns mehr als genug Strom, erst recht zu dieser Jahreszeit, wenn der Wind vom Meer zu uns herüberweht. Komm da jetzt runter.“
Diese Stadt schien so unkompliziert, mit nahezu keinem richtigen Nutzen an Magie. Und dennoch fühlte sie sich nach den letzten Tagen so gef?hrlich an.
Der Zauber an ihrer Hand sah heil aus. Mehr brauchte sie nicht. Sie setzte den Stift wieder an und es ruckte erneut. Ein Strich zierte die untere Seite ihrer Hand. Sie fluchte leise.
?Oh, hast du dich verzeichnet?“, fragte Raffael süffisant und dieser Ton nervte sie so sehr.
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Etienne ignorierte ihn und sah sich den Strich an, er fing knapp unter ihrem Zauber an, hatte jedoch keinen Kontakt zu diesem. Noch war der Zauber intakt. Aus schmalen Augen schielt sie wieder zu Raffael hinüber, welcher ihren Blick mit derselben Wut erwiderte, welche sie verspürte. Sie setzte erneut an, zu zeichnen und sofort drückte sein Finger einen Knopf, welcher ein kleines bisschen nach unten fallen lie?. Auf einmal ging der Scheinwerfer an und blendete sie.
?Ups, falscher Knopf“, h?rte sie ihn sagen, dann gingen sie wieder aus. Das Licht hatte sich jedoch unangenehm in ihre Netzhaut gebrannt und sie sah helle Flecken. W?hrend sie es wegzublinzeln versuchte, ruckte es erneut und das lange Gerüst fuhr langsam Richtung Boden.
Etienne stand auf und sprang auf die begehbare Galerie, welche den Zugang zu der Technik erm?glichte. Hier würde er sie nicht mit dem Herumfahren nerven k?nnen. Sie setzte erneut zum Zeichnen an.
Raffael fluchte und sie merkte aus dem Augenwinkel, wie er die Treppen an den Seiten ansteuerte. Schnell rannte er sie hoch. Etienne beeilte sich, ihren Zauber fertigzustellen. Als sie den letzten Strich zog, spürte sie, wie es in ihrem Inneren klickte. Als w?re etwas eingerastet, was lange zusammengeh?rt hat. Ein triumphierendes L?cheln erschien auf ihren Lippen. Ihr besonderer K?rper erm?glichte es ihr zu wissen, dass der Zauber wirkte, ohne ihn vorher wirken zu lassen. Viele andere mussten ihn zun?chst ausprobieren, um Gewissheit zu bekommen, so barg es auch immer das Risiko, Fehler erst viel zu sp?t zu merken. Aber die Str?me der Magie, welche sich in ihrer Handfl?che bewegten, gaben ihr die Gewissheit, dass es funktionierte. Etienne hob die Hand Richtung Vorh?nge, da knallte auch schon etwas gegen ihre Seite. Der kurze Geruch von Seife verriet ihr, um wen es sich handelte, doch sie lie? sich nicht davon entmutigen, w?hrend sie auf den Holzboden fiel. Ihr Zauber war fertiggestellt, sie musste ihn nur noch nutzen.
?Lass es!“, rief er, versuchte ihre Hand einzufangen. Etienne schlug seine weg und zielte auf die Vorh?nge. Seine Hand tauchte wieder auf und lenkte sie ab. Ein Feuerstrahl flog gegen die kalte Wand über ihnen, erwischte die, Stahlseile des Gerüsts und Etienne musste trotz der Situation l?cheln, begeistert davon, wie gut es funktionierte.
?Das ist gef?hrlich, was du machst“, warnte sie ihn, ?Ich k?nnte einen von uns treffen.“
?Wie w?re es, wenn du überhaupt mit den Zielen aufh?rst, du kleines Biest!“, versuchte wieder ihre Hand zu packen und sie hielt ihn mit ihrem Bein davon ab, zu nahe zu kommen.
?Catjill“, rief sie ihren Djinn und tauchte erneut hinter Raffael auf. Sie hatte gehofft, er würde sie etwas weiter weg von ihm hinbringen, aber das würde er wohl kaum wissen k?nnen. Etienne schubste Raffael erneut und hob die Hand und zielte, doch diesmal fing er sich schneller, als sie es erwartet hatte. Er sprang gegen sie und sie fielen gemeinsam auf das Gerüst unter der Galerie. Etienne schlug hart auf, spürte, wie er ihre Hand gegen das kalte Metall drückte und wie die Magie ihren K?rper verlie? und etwas unter ihr krachte, als das Feuer es erreichte. Sie wusste nicht, was sie getroffen hatte, aber auf einen Schlag ruckte es erneut. Ihr Kopf schlug am Metall auf, machte sie benommen und dann ruckte es wieder und sie fiel diesmal wirklich. Laute Ger?usche bet?ubten ihre Ohren, und der Aufprall des Gerüsts mit dem Boden lie? sie benommen zurück. Etienne blinzelte mehrmals, versuchte die Situation zu erfassen, spürte eine Hand an ihrem Kopf, den metallischen Geschmack im Mund und die Anwesenheit einer anderen Person neben sich. Als sie sich aufzurichten versuchte, st?hnte sie auf, als Schmerz ihre Schl?fe durchstr?mte.
?Alles in Ordnung?“, h?rte sie Raffael fragen, mit etwas, das Sorge glich. Dann wurde sie hochgezogen und stolperte ihm hinter. Ehe sie sich versah, hatte er ihre Hand gepackt und kratzte an der Farbe des Zaubers. Sogleich verlie? sie das Gefühl der pulsierenden Magie in ihrem K?rper. Ein Blick nach unten und sie sah, wie der Zauber an ihrer Handfl?che gebrochen wurde. Raffaels Handrücken blutete, es sah schmerzhaft aus. Sie sah zu ihm auf, w?hrend ihre Augen wieder an Sch?rfe gewannen und die Benommenheit verschwand. Seine Haare waren durcheinander und bedeckt von wei?em Staub oder Putz? Sie war sich nicht sicher. Etienne sah hinter sich und wusste nicht, ob sie zufrieden war oder nicht. Das Gerüst mit den Scheinwerfern lag am Boden, genauso wie das andere Bühnenbild, das sich über die Bühne erstreckte und teilweise an den Zuschauerpl?tzen lag. Aber es brannte nicht. Etienne war sich nicht sicher, ob das ausreichen würde. Was hatte sie getroffen? Ihre Augen wanderten suchend umher, blickte nach oben, zu dem verru?ten Fleck an der Decke.
?Alles in Ordnung?“, wurde sie erneut gefragt und zwei H?nde drehten ihren Kopf wieder zurück. Sie begegnete Raffaels forschenden Augen und als sie seinen Finger an ihrer Wunde hinter dem Ohr spürte, wurde sie schlagartig wach, als Schreck und das Gefühl von Gefahr sie durchstach. Sie schlug ihn weg und trat zurück.
?Wag dich, mich zu verfluchen“, flüsterte sie drohend, wusste nicht, wie sie sich anders als mit Worten wehren sollte, um ihr Versprechen nicht zu brechen. H?tte sie gewusst, wie sehr sie das einschr?nken würde, h?tte sie es nicht gegeben.
?Ich bin hier nicht derjenige, der mit Zaubern um sich wirft“, sagte Raffael, viel zu ruhig. Von der Wut war nichts mehr zu spüren. Seine Augen wanderten hinter sie und sie sah, wie er den Kiefer anspannte. Sorge lag in ihnen und sie spürte erneut den Anflug eines schlechten Gewissens, welchen sie voller Kraft zurückschob. Es war eine Sache, mit leeren Worten herumzuwerfen. Zu Handeln und die Worte in die Realit?t zu verwandeln, fühlte sich aber nicht immer gut an.
?Dafür deine Freunde“, erwiderte sie, ?Ich werde mich nicht verfluchen lassen.“
Seine Augen kehrten wieder zu ihr zurück. Doch ehe er etwas sagen konnte, h?rte sie ein St?hnen vom Bühnenbereich. Etienne fuhr herum. Das Blut gefror ihr in den Adern, als sie sich vorstellte, wie jemand von ihrer Handlung verletzt wurde. Oder schlimmeres. Hatte sie soeben ihr Versprechen gebrochen?
Sie fluchte und rannte zum Zuschauerraum. Das zerbrochene Glas der Scheinwerfer knirschte unter ihrem Schritt und sie registrierte, wie es auch unter Raffaels Schritten zerbrach, als er ihr folgte.
Eine Person lag halb am Boden, halb auf den Sitzen, teilweise bedeckt von einer H?lfte des zerbrochenen Bühnenbildes.
Etienne packte und schob es mit Raffaels Hilfe zur Seite und entdeckte Elias, von dem sie mit einem Schrecken feststellte, dass er wohl zu ihrem Treffen erschienen war. Das wirkte beinahe wie ein Anschlag. Würde er es als Anschlag auffassen?